Die Herrin der Kelten
ihren Arm wieder heraus, und ihre innere Stimme sagte: »Schwarz.«
»Breaca von den Eceni ist die Sechsundzwanzigste von den dreißig.«
Sie wandte sich nach links und ging zu der wartenden Gruppe. Fünfundzwanzig Augenpaare beobachteten sie, während sie ihren Wert und ihre Erfolgschancen abwägten. Der Stein brannte wie rot glühendes Eisen in ihrer Hand. Ihre Seele weinte.
Wenig später gesellte sich ein Krieger der Cornovii zu ihr, und damit blieben noch drei schwarze Steine übrig. Diejenigen, die jetzt noch wählen mussten, waren erst seit einem Jahr oder seit noch kürzerer Zeit auf Mona. Bald waren nur noch die zwölf Kriegerinnen und Krieger übrig, die am Tag der Tag- und Nachtgleiche im Herbst in einer geschlossenen Gruppe auf die Insel gekommen waren. Sie standen dicht zusammengedrängt wie die Schafe, blutige Neulinge, die sich noch nicht so recht an die Veränderungen gewöhnt hatten, die ihr Leben auf Mona erfahren hatte. Zu Hause in ihren Stämmen waren sie die Besten ihres Alters gewesen, möglicherweise sogar die Besten seit Menschengedenken. Hier, auf Mona jedoch, war jeder nur einer unter vielen, alle gleich gut, alle noch unerprobt.
»Braint von den Brigantern ist die Achtundzwanzigste der dreißig.« Ein schlankes, schwarzhaariges Mädchen nahm den Platz auf Breacas linker Seite ein, ihr Gesicht starr und bleich. Sie gehörte zu dem im Norden lebenden Stamm der Briganter, die entfernt mit Venutios verwandt waren, und ihr Name war der der Göttin in der Sprache ihres Volkes. Ansonsten wusste Breaca nichts über Braints Geschichte oder Fähigkeiten. Einen Moment später gesellte sich der Cousin des Mädchens zu der Gruppe, ein breitschultriger Junge mit rotem Haar und heller, sommersprossiger Haut - der Neunundzwanzigste.
Diejenigen, die nun noch übrig waren, zerstreuten sich nach jedem weißen Stein, den sie zogen, bis nur noch ein einziger Krieger zurückblieb. Er war der Jüngste und der Letzte der Neuankömmlinge, und er näherte sich dem Feuer mit dem Lächeln eines Menschen, der sein Schicksal klar vor Augen sieht. Breaca beobachtete, wie er die Hand über das Feuer streckte, und fühlte sich innerlich gespalten. Der Teil von ihr, der logisch dachte, sagte, wenn zweitausend Kieselsteine in dem Kessel gewesen waren und nur noch einer davon übrig war, dann musste dieser eine schwarz sein. Der andere Teil ihres Ichs, der das größere, übergeordnete Schema der Dinge sah, sagte ganz entschieden: »Weiß« - und hatte Recht.
Der Junge starrte voller Entsetzen auf seine Handfläche. Es gab nicht den geringsten Zweifel an der Farbe des Steins. Er hatte Weiß gezogen und musste gehen. Den Tränen nahe, trat er vom Feuer zurück und machte sich auf den langen Weg um die Grube herum zur Träumerseite und zum Ausgang der Halle.
Benommen blickte Breaca ihm nach. Sie hatte keine vorherige Kenntnis der Prüfungen, aber ihre Lebenserfahrung hatte sie eines gelehrt: Wenn die Götter verlangten, dass dreißig Krieger gemeinsam auszogen, dann sollte man ihre Forderung auch exakt erfüllen. Sie sah, wie Maroc einen Blick mit Talla tauschte, die nickte. Ein Haufen weißer Kieselsteine lag zu Marocs Füßen, wo diejenigen Kriegerinnen und Krieger, die ausgeschieden waren, sie niedergelegt hatten. Maroc bückte sich, sammelte die Steine ein und ließ sie händeweise durch den Schlitz in dem Fell gleiten, so dass sie klirrend und scheppernd auf dem Boden des Kupferkessels landeten. Als der letzte Stein hineingefallen war, hob Venutios den Kopf und rief:
»Caradoc von den Ordovizern!«
Caradoc war nicht da. Er konnte gar nicht da sein. Breaca hatte sein Gesicht vor sich gesehen und seine Anwesenheit gespürt, als sie ihren eigenen Stein aus dem Kessel gezogen hatte, und hatte doch sofort gewusst, dass er ein Geist ihrer Vergangenheit war, nicht ihrer Gegenwart. Als sich weit hinten in den still dastehenden Reihen der Träumer plötzlich etwas bewegte, war Breaca überzeugt, dass es jemand anderer war, der nach vorne kam, um Venutios über seinen Irrtum aufzuklären. Es war allgemein bekannt, dass Caradoc den Herbst im Land der Ordovizer verbracht hatte; er konnte also unmöglich hier im Großen Versammlungshaus sein.
Sie hatte vergessen, dass Venutios ranghöchster Krieger von Mona war und ihm keine Fehler unterliefen. Die vorderste Reihe der Träumer teilte sich und schwankte einen Moment, und als sie sich wieder schloss, stand Caradoc auf der Träumerseite der Feuergrube, sein Gesicht ruhig, sein
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