Die Herrin der Kelten
von Tränen würde heilen können. Sie verließ das Gelände und ging mit Hail auf die Jagd, und als sie zurückkehrte, sprach sie mit niemandem.
Airmid brauchte neun Tage, um sich wieder von der kräftezehrenden Suche zu erholen. Am Ende dieser Zeit holte Breaca die Pferde und Hail und bereitete alles für die Reise nach Mona vor. Caradoc blieb noch, um bei ihrem Abschied dabei zu sein. Am Morgen ihrer Abreise machte er Breaca in der Nähe der Koppeln ausfindig. Es war das erste Mal, dass sie in seiner Gegenwart die quälende Furcht verspürte, obwohl ihr damals noch nicht klar war, warum dem so war. Wenn sie gekonnt hätte, wäre sie einfach an ihm vorbeigegangen, aber er stand im Tor und streckte die Hand aus, um die Zügel von Airmids Hengstfohlen zu nehmen, und deshalb musste sie notgedrungen stehen bleiben. Seine Augen waren zu glänzend für den Morgen, und sein Gesicht war wie von Fieber gerötet. Sein Haar, von der Sommersonne und den vielen auf dem Meer verbrachten Wochen silberblond gebleicht, war noch feucht von seinem morgendlichen Bad im Fluss und erst kürzlich geschnitten worden. Der Wind wehte ihm die Strähnen ins Gesicht und ließ sie an seiner Wange festkleben. Er hielt Breaca ein kleines Päckchen hin, in ein Stück Rehleder eingewickelt, und sagte: »Das hier ist für dich.«
Sie erwiderte seinen Blick ruhig. Zu mehr war sie nicht fähig. »Das ist nicht nötig. Du hast das einzige Geschenk mitgebracht, das du mitbringen konntest. Was passiert ist, ist nicht deine Schuld.«
»Ich weiß. Das hier ist auch kein Geschenk.« Er bot es ihr erneut an. »Nimm es. Pack es aus und sieh, was es ist.«
Sie tat, worum er sie bat. Die Höflichkeit und die Gesetze der Gastfreundschaft verlangten es so. In dem Stückchen Leder lag die Schlangenspeerbrosche mit dem roten Pferdehaar, das noch immer in losen Büscheln an den unteren Schlaufen hing. Er hatte die Brosche poliert und die Nadel ersetzt, aber ansonsten war sie noch genauso wie damals, als Breaca sie ihm geschenkt hatte; ein Impuls, aus einem Augenblick heraus geboren, der erst danach Bedeutung erlangt und diese Bedeutung bis jetzt behalten hatte.
Caradoc wartete darauf, dass sie etwas sagte. Unverblümt fragte sie: »Willst du sie nicht?«
»Doch, natürlich. Aber es geht jetzt nicht darum, was ich will...« Er hielt inne und begann dann noch einmal von neuem. »Wenn ich sie behielte, würde sie dann eine Bedeutung haben, so wie früher einmal?«
Ganz allmählich dämmerte ihr die Erkenntnis. Seit der Schlacht hatte sie den Verlust Caradocs nicht mehr empfunden, nur den Schmerz über Eburovics Tod und die lähmende Verzweiflung, die der Raub von Báns Leichnam ausgelöst hatte. Den ganzen langen Sommer hindurch hatten Caradocs Versprechen und ihre Gewissheit, dass er dieses Versprechen trotz allem, was geschehen war, halten würde, einen Lebensfunken in ihrer Seele genährt, während alles andere abgestorben war. Jetzt, in seiner Gegenwart, als er so nahe vor ihr stand, dass sie ihn hätte berühren können, überfiel sie plötzlich eine physische Übelkeit. Es war unmöglich, mit ihm allein zu sein, ohne dass die Toten dazwischenkamen: Er lächelte, und sie sah im Geist Bán lächeln; er legte den Kopf schief, mit dem feuchten Haar, das ihm an der Wange klebte, und es war schwarzes Haar, kein goldblondes, und sie wollte die Hand ausstrecken, um ihm die Strähnen aus dem Gesicht zu streichen, so wie sie es bei Bán getan hätte; er weinte, und sie sah wieder Bán vor sich, wie er um das graubraune Stutenfohlen trauerte. Und weil sie Bán in ihm sah, sah sie auch Amminios, wie er den äußersten Akt der Schändung beging und einen Leichnam vom Schlachtfeld stahl, der Briga hätte dargebracht werden müssen, damit die Seele des Verstorbenen den Weg in die Obhut der Göttin finden konnte. Selbst hier, während Caradoc so dicht vor ihr stand, dass sie die Wärme seiner Haut spüren und das Schafsfett auf seiner Tunika und den Rauch der Feuer vom vergangenen Abend riechen konnte, warf er einen Schatten, der nicht sein eigener war.
Die Luft um sie herum wurde plötzlich kalt und stach wie mit eisigen Nadeln in ihr Gesicht. Nun, da sie ihre Stimme am dringendsten brauchte, versagte sie auf einmal.
»Danke.« Caradoc nickte, als ob sie auf seine Frage geantwortet hätte. Sein flüchtiges Lächeln war höflich, das Produkt von Jahren am Hof seines Vaters. »Es ist besser, wenn Klarheit zwischen uns herrscht.« Er ließ die Zügel des Hengstfohlens los
Weitere Kostenlose Bücher