Die Herrin der Kelten
Hügel geblieben waren. Sie hielt einen Moment inne und blickte zurück. Hoch oben auf der Felsspitze hob Venutios sein Horn an die Lippen und ließ das Signal zur Rückkehr erschallen. Breaca erlebte einen Moment des Jubels, so wie damals an dem Tag, als sie Venutios’ Schwertklinge zerbrochen hatte. Sie nahm nur Caradoc und Braint mit, als sie kehrtmachte und wieder den Hügel hinauflief. Venutios kam ihr entgegen, seine Miene so reglos wie die eines Ältesten, der ein Gesetz verkündete.
»Du darfst nicht allein gehen, aber die Mehrheit von euch hat sich zum Aufbruch entschlossen. Es ist also Gwyddhien, die sich dir beugen muss.«
Die hoch gewachsene Kriegerin stand hinter ihm. In ihrer Hand trug sie ihren eigenen Speer und Breacas. Sie überreichte Breaca ihren Speer mit dem Schaft voran, als Zeichen des guten Glaubens. »Ich bin bereit.« Der melodische Tonfall ihrer Stimme ließ ihre Worte wie ein Gebet klingen.
Breaca reichte ihr die Hand zum Gruß des Kriegers. Sie sagte: »Wenn wir die Verwundeten tragen müssen, werden wir noch mehr Holz für Tragbahren brauchen. Gib mir die Hälfe von den dreißig, und ich werde es beschaffen.«
»Du hast sie.« Gwyddhien ergriff die dargebotene Hand und erwiderte den Gruß. Sie grinste. »Und besorgt noch eine neue Tragestange für den Keiler«, sagte sie. »Wir werden den Kadaver in zwei Hälften zerteilen, dann wird er nicht mehr so schwer zu tragen sein. Auf diese Weise können wir schneller laufen.«
Sie liefen die ganze Nacht hindurch, nicht sonderlich schnell, aber schnell genug. Sie wurden nicht von Traumgestalten bedroht, und sie kamen gut voran. Der Himmel war mit einer dichten Wolkendecke überzogen, aber es regnete nicht. Ohne Sterne, an denen sie sich hätten orientieren können, suchten und fanden sie einen mit gespaltenen Stöcken markierten Jägerpfad und folgten ihm. Gwyddhien ging an der Spitze der Kolonne, während sie immer wieder die Route überprüfte. Venutios lief ganz am Ende und hielt mit den Nachzüglern Schritt, um sicherzugehen, dass die Gruppe nicht auseinander gerissen wurde. Breaca und Caradoc bildeten ein Gespann mit Braint, die beschäftigt werden musste, um sich von ihrem Schmerz über den Verlust ihres Cousins abzulenken. Die drei trugen Ardacos, wobei sie sich regelmäßig abwechselten, so dass jeweils zwei das Holzgestell trugen und einer nebenherlief, und sie tauschten oft, um nicht zu rasch zu ermüden. Der schwer verwundete Mann versank immer wieder in Bewusstlosigkeit, während sie durch die Dunkelheit liefen, doch selbst wenn er wach war, lag er ganz still da, und er schrie auch nicht auf, wenn sie stolperten oder ihn über einen Bach hinwegreichen mussten.
Sie liefen gerade einen Abhang hinunter, sorgsam darauf bedacht, Ardacos waagerecht zu halten, als Breaca plötzlich bewusst wurde, dass sie die Umrisse ihrer Hand und ihres Fußes gut erkennen konnte; es würde also nicht mehr allzu lange dauern, bis der neue Tag anbrach. Sie blickte sich nach Caradoc um und sah sein Haar, so hell wie im Wind wogendes Getreide. Er lächelte, und seine Zähne blitzten weiß. Die schwarzhaarige Braint, am anderen Ende der Tragbahre, war zu dunkel, um im trüben Licht der Morgendämmerung deutlich zu sehen zu sein.
Am Fuße des Abhangs versammelte Gwyddhien die Gruppe wieder um sich. »Wir werden bei Tageslicht vor den Toren der Siedlung ankommen. Wir haben zwar Verwundete dabei, aber wir müssen trotzdem dem Anlass entsprechend würdevoll Einzug halten.«
Sie waren erschöpft, schmutzig und unordentlich, eine abgerissene Schar schemenhafter Gestalten. Gwyddhien wies sie an, sich zu drei Reihen zu formieren, geordnet nach Alter und Erfahrung, und ihre Speere auf den Rücken zu hängen, zum Zeichen des Friedens. Von Ardacos sagte sie: »Wir werden an der Eiche vor dem Tor Halt machen. Bringt ihn dann nach vorn. Er ist noch immer der Bedeutendste von uns. Er sollte als Erster hineingelangen.«
Es war ein ehrenvoller Akt, der ihrer beider würdig war. In den Augen einiger anderer mochte Ardacos zwar noch der Bedeutendste gewesen sein, als sie ausgezogen waren, aber Gwyddhien war diejenige, die als die Auserwählte zurückkehren würde, daran zweifelte keiner von ihnen. Breaca beugte sich über die Tragbahre und stellte fest, dass der Verwundete bei Bewusstsein war. Er blinzelte ihr zu, wie er es schon einmal zuvor getan hatte. Sie behielt ihre Hand auf ihrem Speer und blieb weiterhin auf der Hut.
Das restliche Gelände war ihnen allen
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