Die Herrin der Kelten
bekannt: eine kurze Wegstrecke über niedrige, mit Stechginster bewachsene Hügel und durch kleine Täler, gefüllt mit Weiden und Haselsträuchern. Von den beiden Flüsschen, die ihren Weg kreuzten, ließ sich der nähere auf Trittsteinen überqueren, während der weiter entfernte von einer Brücke überspannt war.
Die ersten Wurfspeere kamen durch die Luft gesaust, als sie Ardacos gerade über die Trittsteine trugen. Breaca hörte das Sirren, dann den dumpfen Aufprall eines Treffers, und sprang ohne nachzudenken die letzten beiden Schritte zum jenseitigen Flussufer. Caradoc, der das hintere Ende der Tragbahre hielt, sprang mit ihr und folgte ihr im Laufschritt, als sie in Deckung flüchtete. Sie sprinteten in den Schutz eines Weißdorngebüschs. Braint flitzte hinter ihnen her und warf sich mit dem Gesicht nach unten ins Gras.
»Venutios ist getroffen worden«, sagte sie.
»Was?«
»Ich habe ihn zu Boden gehen sehen«, erklärte Caradoc. »Die Speere waren auf ihn gezielt.«
»Große Götter! Warum?« Breaca schob sich vorsichtig hinter ihrem Versteck hervor und versuchte, die Häupter zu zählen. Auf freiem Feld hätte sie die anderen vielleicht sehen können. Hier, im Schutz des Tals, wo die Bäume noch in vollem Herbstlaub standen und die Morgendämmerung noch nicht Einzug gehalten hatte, war das unmöglich. Sie konnte nur Gwyddhien sehen, die bäuchlings im dürftigen Schutz eines Felsblocks lag. Breaca legte ihre Hände trichterförmig an den Mund und stieß den Schrei der Nachteule aus, der Ruf der Krieger von Mona. Gwyddhien erwiderte ihn und rannte los, um sich zu ihnen zu gesellen.
»Venutios ist gefallen«, sagte Breaca.
»Ich weiß. Ich habe es gesehen. Habt ihr den Fluss als Letzte überquert, abgesehen von ihm?«
»Ja.«
»Dann sind wir wenigstens alle auf der rechten Seite des Flusses.«
Gwyddhien ahmte erneut den Schrei der Eule nach, diesmal noch lauter. Andere antworteten zu zweien oder zu dreien und kamen nach und nach aus ihren Verstecken hervor, um sich zu versammeln.
Cumal von den Silurern war der Erste, der an dem Gebüsch auftauchte, hinter dem Breaca und die anderen Schutz gesucht hatten. »Ordovizer!« Hasserfüllt spuckte er auf den Boden zu Caradocs Füßen. Ihrer beider Völker waren seit Urzeiten Feinde. »Ich würde ihre Speere überall wieder erkennen. Hast du von diesem Überfall gewusst?«
Caradoc starrte den anderen Mann wortlos an. Mit ruhiger Bedächtigkeit wandte er sich um, um über den Fluss hinweg auf die reglose Gestalt von Venutios zu blicken. Der Krieger lag ausgestreckt auf dem Rücken, seine Glieder in einem merkwürdigen Winkel verdreht. Der Schaft eines einzelnen Speeres ragte über ihm auf. Als Caradoc sich wieder zu Cumal umwandte, sagte er mit steifer Förmlichkeit: »Verzeih mir. Das Licht ist noch zu schwach, als dass man von hier aus deutlich sehen könnte, aber ich war ganz in der Nähe, als die Speere flogen, und ich glaube, sie trugen silurische Kennzeichen auf dem Schaft.«
»Coritani«, warf Breaca ein. »Sofern die Silurer nicht das Zeichen des Roten Milans als ihr eigenes übernommen haben.«
»Nein, Votadini«, meinte Braint. »Sie kennzeichnen ihre Speere mit schwarzer Farbe und tränken die Spitzen mit Gift, das sie aus Pilzen gewinnen. Ich kenne die Votadini schon seit meiner Kindheit. Sie haben damals den Onkel meiner Mutter getötet.«
Einen Moment lang herrschte angespanntes Schweigen. Eine Dohle flog zu Venutios, und irgendjemand warf einen Ast nach ihr, um sie zu verjagen.
Mit kreidebleichem Gesicht sagte Gwyddhien: »Dann sind die Speere von den Träumern geschickt worden, genauso wie die Bären. Aber warum würden die Träumer ihre eigenen Leute töten wollen?« Unausgesprochen, aber noch offensichtlicher, war die Frage: Warum würde Airmid so etwas tun?
Breaca erwiderte schroff: »Frag Venutios, falls du ihm zufällig im Totenreich begegnen solltest. Er muss von der Gefahr gewusst haben, und wir hätten damit rechnen müssen, dass außer den Bären noch andere unangenehme Überraschungen auf uns warten würden. In anderen Jahren sind weitaus mehr Prüflinge umgekommen, als ein Bär hätte töten können.« Sie gab sich selbst die Schuld, weil es sicherer war, als irgendjemand anderem die Schuld zuzuschieben, vor allem einer Träumerin, die eine Wette angenommen hatte, wo sie doch stattdessen eine Warnung hätte aussprechen können. Ein bitterer Schmerz nistete sich in ihrem Inneren ein, doch sie versuchte mit aller Macht, ihn
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