Die Herrin der Kelten
in den Hintergrund zu drängen, voller Angst davor, dass er sich - wenn sie sich ihm erst einmal stellte - als überwältigend erweisen könnte.
»Und was nun? Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Gwyddhien. Entsetzen und Furcht hatten Falten in ihr Gesicht gegraben, die vorher noch nicht dagewesen waren. »Wir können die Träumer nicht töten.«
»Nein? Wieso können wir das nicht, wenn sie doch auch uns töten können?« Breaca fuhr zu der Gruppe herum. Zwei Dutzend Gesichter blickten sie verängstigt und voller Zweifel an. In dem grauen Licht des hereinbrechenden Tages sah selbst Caradoc unsicher aus. Sie hatte immer geglaubt, er wäre gegen jegliche Angst gefeit, und musste jetzt zu ihrer Bestürzung feststellen, dass dem ganz und gar nicht so war. Die Träumer von Mona waren heilig, eingehüllt in ein Netz des Friedens und der inneren Ruhe; sie konnten mitten durch eine Schlacht gehen, und kein Krieger würde sein Schwert gegen sie erheben. Breaca spürte, wie sich das Fadengeflecht, das die dreißig zu einer Einheit verbunden hatte, mehr und mehr auflöste, und sie betete zu Briga und zu Nemain, die Airmid besonders zugetan war. Doch sie bekam keine Antwort auf ihre Gebete. Stattdessen sah sie nur Ardacos, der im Sterben lag, und Venutios, der bereits tot war, und die Sinnlosigkeit und Ungerechtigkeit all dessen entmutigte sie zutiefst. Sie rief nach Eburovic und nach der älteren Großmutter, doch keiner von beiden kam zu ihr. Mit wachsender Verzweiflung rief sie nach Airmid - nicht nach der Träumerin selbst, sondern nach dem Gefühl der Beständigkeit und Sicherheit, das Airmid ihr stets vermittelt hatte, das sie wie eine zweite Haut umschloss und ihr Trost und Mut spendete, wenn sie ihn am dringendsten brauchte. Doch die Dämmerung gab nichts zurück, sogar noch weniger als nichts; das Zwielicht war von einem erbarmungslosen Schweigen erfüllt, das an ihrer Willenskraft zehrte. Hier auf der Insel der Götter war sie nun mutterseelenallein, im Stich gelassen von denjenigen, denen sie am meisten vertraute, die stattdessen die ihnen von den Göttern verliehene Macht nutzten, um sie zu vernichten.
Das Wissen um den Verrat war lähmend. Sie starrte über die mit Büschen bewachsene Fläche hinweg auf die Weiden, die den zweiten Fluss säumten. Ein feiner Nebel stieg vom Erdboden auf und kroch in Kniehöhe vorwärts, kalt und heimtückisch. Breaca hatte sich niemals nach dem Tod gesehnt, so wie Tagos es in den ersten Monaten nach dem Verlust seines Arms getan hatte, aber jetzt sah sie den Tod unweigerlich nahen und hatte doch nicht mehr die Willenskraft, sich gegen ihn zu wehren.
Hail stupste ihre Hand an und schmiegte seinen Kopf in ihre Handfläche. Von ihnen allen war er der Einzige, der weder Zweifel hegte, noch Angst vor den Träumern hatte; der nicht zwischen dem Guten und dem Schlechten einer Schlacht unterschied. Er lebte nur, um zu jagen und zu töten, zu kämpfen und zu siegen. Breaca ging in die Hocke und vergrub ihre Finger in dem rauen Fell an seinem Hals. Eburovics Trost und Unterstützung mochten ihr zwar verwehrt sein, aber niemand konnte ihr die Erinnerung an die Geburt des Hundes rauben, an den Anblick Báns, wie er in der Tür des Frauenhauses gestanden hatte, noch ganz verwirrt von seiner Vision, verängstigt und verloren und von schmerzlicher Sehnsucht nach einem Wesen erfüllt, das er noch kaum kannte, aber schon liebte. Ihr kleiner Bruder, der sich so sehr danach gesehnt hatte, Krieger zu werden, obwohl doch alle anderen klar erkannt hatten, dass er dazu ausersehen war, der größte Träumer zu sein, den die Stämme jemals gekannt hatten, bis er Opfer einer bis dahin einzigartig niederträchtigen und heimtückischen Gewalttat wurde. Von der Erinnerung an Bán war es nur noch ein kurzer Schritt zu Groll, zu Wut, zu einem alles verzehrenden Zorn. Während ihrer zweijährigen Ausbildung auf Mona hatte man Breaca gelehrt, sich zu beherrschen, um zu verhindern, dass Zorn und Leidenschaft die Oberhand über die Vernunft gewannen, aber es war Mona, die ihr das hier eingebrockt hatte, und ihre Lehrer hatten davon gewusst und doch kein Wort darüber gesagt. Allen Lehren zum Trotz hegte sie den Funken, der in ihrem Innersten brannte und der sich so mühelos zu Flammen entfachen ließ: durch ihren Abscheu vor Amminios; durch die Erinnerung an ihre allererste Begegnung, an seine Opferung des graubraunen Stutenfohlens und an seinen letzten und schlimmsten Akt der Schändung; durch den höhnischen
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