Die Herrin der Kelten
entfernt, getrennt durch das Wasser, das ein breites, schäumendes Band zwischen ihnen bildete und wirbelnd um die Pfähle strömte, die den Fluss sicherten. Plötzlich ging ein kollektiver Laut des Erstaunens durch die Reihen auf beiden Seiten, als jeder Einzelne das Unmögliche sah: Die beiden Kontrahenten, die sich dort Auge in Auge gegenüber standen, waren Verwandte. Breaca blickte Caradoc fragend an.
»Chanos’ Linie ist belgischen Ursprungs. Er betreibt seit Jahren Handel mit Gallien. Der andere könnte ein Cousin von ihm sein.«
»Oder ein Sohn?« Der Mann auf der römischen Seite war jünger, und das Haar, das unter seinem Helm hervorhing, war länger und heller.
»Vielleicht.«
Wie auch immer die verwandtschaftliche Beziehung sein mochte, die Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen waren geäußert und erwidert worden, allesamt auf Gallisch. Die Römer hätten ihren Mann zurückrufen können, aber Caradoc oder Breaca besaßen keine solche Befehlsgewalt. Ihre Armee war nicht so, dass Befehle erteilt werden konnten, sondern eine Versammlung von Kriegerinnen und Kriegern, die für ihre eigene Ehre kämpften und deren Leben einzig und allein in der Hand der Götter lag.
Der Austausch von wüsten Beleidigungen nahm seinen Fortgang, wie er es zwangsläufig musste. Als Breaca an den beiden Männern vorbeiblickte und über ihre persönliche, für das Geschehen im Großen und Ganzen völlig unbedeutende Kampfansage hinausdachte, fragte sie: »Können wir sie aufhalten, die zwanzigtausend?«
Caradoc zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Wir müssen es auf jeden Fall versuchen. Togodubnos braucht Zeit, um die Stämme am ins Meer mündenden Fluss zu versammeln. Dort können wir sie schlagen, wenn überhaupt irgendwo, aber erst, wenn die Stämme einsatzbereit sind.«
»Und der Rest, die anderen beiden Legionen?«, fragte sie leise. »Werden wir die auch aufhalten müssen?« Das war die Frage, die ihr seit der Landung der ersten römischen Truppen zu schaffen gemacht hatte. Den ganzen Sommer über hatten die Kundschafter Nachrichten geschickt, dass Claudius vier Legionen in Bereitschaft hatte, die darauf warteten, den Ozean zu überqueren; bisher hatte sie jedoch nur zwei gesehen.
»Das hier sind die Vierzehnte und die Zwanzigste, die vom Rhein gekommen sind«, erwiderte Caradoc. »Die Zweite und die Neunte sollten von Gesoriacum aus absegeln, aber wenn die Truppen inzwischen gelandet sind, kann mir zumindest keiner sagen, wo. Ich habe Melder ausgeschickt, die drei Tagesreisen weit die Küste hinuntergeritten sind, und sie berichten, dass sie noch keine weiteren Truppenlandungen beobachtet haben. Die Kohorten würden schon auf den Schwingen der Götter fliegen müssen, um uns hier zu überlisten, und dass sie diese Macht haben, das glaube ich denn doch nicht.«
»Gut«, meinte Breaca. »Dann können wir vielleicht noch immer siegen. Wenn Chanos seinen Verwandten töten kann, dann haben wir einen guten Start.« Am Fluss hatte der Austausch von Beleidigungen inzwischen aufgehört. Beide Männer hatten ihre Schilde und ihre Kettenhemden abgelegt. Beide hoben ihre Wurfspeere. Traditionellerweise würden sie ihre Speere genau gleichzeitig schleudern. Es war möglich, dass beide dabei sterben würden. »Kann Chanos gut mit einem Speer umgehen?«, wollte Breaca wissen.
»Hervorragend.«
Er war nicht nur gut, er kannte auch die Kampfweise des anderen. Beide Männer warfen ihre Speere und sprangen dann rasch zur Seite, als die Speere durch die Luft sausten. Der gallische Söldner hatte geradeaus geworfen, da er nicht mit einem Ausweichmanöver seines Gegners rechnete. Chanos hatte nach links gezielt, wohl wissend, dass sein Gegenüber auszuweichen versuchen würde, und dabei die Seite erraten. Der römische Speer prallte unverrichteter Dinge gegen einen Felsblock, wobei der Schaft zerbrach. Der Speer des Catuvellauners grub sich eine Armlänge tief in die ungepanzerte Brust seines Kontrahenten. Der Feind stürzte tödlich getroffen zu Boden und erstickte an seinem eigenen Blut. Die Krieger um Breaca herum brachen in laute Jubelrufe aus. Chanos riss triumphierend einen Arm hoch und schleuderte den Römern am gegenüberliegenden Ufer eine letzte Beleidigung entgehen.
Und wurde von einer Triade feindlicher Wurfspieße durchbohrt, geschleudert von drei Römern, die zu der Barrikade aus Felsblöcken gerannt waren; eine unvorstellbar unehrenhafte und schändliche Tat.
Breaca fühlte, wie die Krieger um sie herum
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