Die Herrin der Kelten
hatte, und das Einzige, was jetzt noch hochkam, war das Salzwasser, das er seit dem letzten Mal geschluckt hatte. Gallenflüssigkeit tropfte von seinen Fingern, und er beobachtete, wie sie sich zu einer kleinen Pfütze auf dem Deck sammelte, bevor ein weiterer gewaltiger Brecher über das Schanzkleid hinwegschlug und ihn gegen massives Eichenholz schleuderte, um ihn bis auf die Haut zu durchnässen und sich in einem eiskalten, salzigen Schwall in seine Augen, seine Nase und seine Kehle zu ergießen. Der ersten Welle folgte unmittelbar darauf die zweite, die seinen Körper hochhob und ihn rückwärts Richtung Heck wirbelte. In diesem Moment hätte er um ein Haar das Haltetau losgelassen und sich von den gewaltigen Wassermassen über die Reling reißen lassen. Es war nur die Angst, die ihn veranlasste, sich weiter daran festzuhalten. Luain der Ire fürchtete sich nicht vor dem Tod, noch nicht einmal vor dem Tod durch Ertrinken, aber er hatte tatsächlich große Angst davor, die Gelübde nicht erfüllen zu können, die er vor den Göttern, an die er glaubte, abgelegt hatte; und der Gedanke, ihnen womöglich verfrüht gegenübertreten zu müssen, lange bevor sein Lebenswerk vollendet war, zwang ihn, das Tau aus gedrehtem Hanf aufs Neue zu packen und sich mit aller Kraft daran festzuklammern.
Der Bug hob sich abermals, als das Schiff aus einem tiefen Wellental auftauchte und den Kamm der nächsten meterhohen Woge zu bezwingen versuchte. Das Deck neigte sich schräger und immer schräger, bäumte sich wie ein wütendes Hengstfohlen auf, bis es wahrscheinlich erschien, dass das gesamte Schiff nach hinten umkippen würde. Die Pferde unten im Laderaum schrien voller Angst, doch es war niemand da, der sich um sie kümmern konnte. Luain machte einen Schritt auf die vordere Luke zu und blieb dann wieder stehen. Der Gedanke, die rotbraune thessalische Stute zu verlieren, schmerzte ihn sogar noch mehr als das Schlagen der See, doch wenn er zu ihr hinunterging, würde er damit weder sie noch sich selbst retten. Er sprach gerade das Gebet für verlorene Seelen - seine und die seiner Stute -, als die See wieder zurückwich und der Rumpf der Greylag abermals klatschend auf das Wasser aufschlug und in einer Rückströmung schlingerte. Luain blieb kraftlos liegen und ließ seinen Magen wieder einmal sein Schlimmstes tun. Irgendwo unten in der Dunkelheit des Frachtraums machte eine trächtige Stute all den verzweifelten Lärm, den auch er am liebsten gemacht hätte.
Mac Calma hatte sich bisher immer für einen guten Seemann gehalten. Seit nunmehr zwei Jahren befuhr er die Handelsroute zwischen der Südküste von Britannien und den Märkten Galliens, um große, gescheckte Kampfhunde, reifes Getreide, Rohleder und ungegerbte Felle zum Kontinent zu befördern, wo sich die besten Preise für solche Waren erzielen ließen. Auf seiner Rückreise pflegte er all das mitzubringen, was das kürzlich dem Römischen Reich einverleibte Gallien anzubieten hatte: feines Tafelgeschirr, grünes Glas, gegerbtes Leder und - noch besser als alle diese Dinge - gute Jahrgangsweine von den sonnigen Weinbergen Roms. Er brachte seine Waren per Schiff in die Häfen an den Ufern des großen Flusses und beförderte sie von dort aus mit Karren ins Landesinnere, um sie in den Residenzen von Cunobelin, dem Sonnenhund, zu verkaufen, die einen halben Tagesritt weiter nördlich lagen, und an Berikos von den Atrebatern, drei Tagesreisen Richtung Süden. Diese beiden waren sehr erpicht auf die römischen Luxusgüter, auch wenn der Rest ihrer Welt sie nicht haben wollte, und Luain der Händler stand in dem Rufe, der Mann zu sein, der alles beschaffen konnte - oder beinahe alles -, wenn man ihn nur richtig darum bat und wenn ihm die Farbe deines Geldes gefiel. Angesichts dessen war es vielleicht überraschend, dass er erst einmal zuvor gebeten worden war, Pferde zu transportieren, und das war im Hochsommer gewesen, bei schönem Wetter und relativ ruhiger See, als sie die kurze, nur einen halben Tag dauernde Überfahrt von der Flussmündung zu dem gallischen Hafen Gesoriacum gemacht hatten. Dennoch war eine der Stuten in Panik geraten und hatte nicht weit oberhalb der Wasserlinie ein Loch in die Holzverschalung getreten, und die gesamte Besatzung, einschließlich mac Calmas, war dazu abkommandiert worden, sich ins Zeug zu legen und nach Leibeskräften zu schöpfen, um zu verhindern, dass das Handelsschiff auf den letzten Seemeilen der Reise mit Mann und Maus unterging.
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