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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Jetzt schoss Luain der Gedanke durch den Kopf, dass ein Loch in der Bordwand die schnellste und sauberste Art sein könnte, um die derzeitige Seereise zu beenden, dass er den Pferden aber ja zu Beginn der Überfahrt die Beine gefesselt hatte, eben um sie davon abzuhalten, sich selbst oder der Greylag Schaden zuzufügen. Und selbst wenn er das nicht getan hätte, so besaß doch jetzt keines der Tiere mehr genügend Kraft, um ein Loch in eine Eierschale zu treten, geschweige denn in ein sinkendes Schiff.
    Das krampfartige Würgen hörte schließlich auf. Luain rappelte sich wieder hoch, wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und kämpfte darum, Halt auf dem schwankenden Deck zu finden. Ein Stück weiter rechts von ihm stand Segoventos, der Kapitän der Greylag , und begrüßte ihn mit einem kläglichen Grinsen. Der Ire winkte zurück und rief laut: »Schaffen wir es noch bis zur Küste?«
    Der Kapitän starrte ihn verständnislos an. Luain legte seine Hände trichterförmig um den Mund und rief abermals. Der tosende Sturm erfasste den Klang seiner Stimme, zerriss ihn in tausend Fetzen und schleuderte ihn Luain wieder ins Gesicht zurück, begleitet von einem frischen Schwall Salzwasser. Segoventos von den Osismi, ein freier Mann und Schiffskapitän aus Gallien, zuckte nur die Achseln und strich sich in einer beredten Geste mit dem Daumen über die Kehle, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Takelwerk zu, das bereits an zwei Stellen zerrissen war, dem Mast, der im Moment noch Stand hielt, und dem wild wogenden Meer, in der schwachen Hoffnung, dass er sein Schiff - die Freude seines Herzens - davor bewahren könnte, sich auf der nächsten heranrollenden Welle das Rückgrat zu brechen. Es war kein Kampf zwischen ebenbürtigen Gegnern. Noch während er sich umdrehte, krachte ein meterhoher Brecher über den Bug und setzte die Decks unter Wasser. Das Schiff bäumte sich auf und erzitterte heftig unter dem Ansturm der Wassermassen. Segoventos kämpfte verzweifelt mit dem Steuerrad. Unten im Laderaum schrie ein einjähriges Fohlen voller Todesangst und verstummte dann erschreckend abrupt. Luain fluchte lästerlich und ließ das Haltetau los. Er machte einen einzigen gleitenden Schritt Richtung Steuerrad und legte eine Hand trichterförmig um das Ohr des Kapitäns.
    »Die Pferde... ich werde mich um die Pferde kümmern...« Selbst aus dieser Nähe musste er schreien, um das Heulen des Sturms zu übertönen.
    Segoventos schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Sie sind seekrank und völlig wahnsinnig vor Angst. Du wirst überhaupt nicht an sie herankommen... halt dich fest , verdammt noch mal, Mann...«
    Er warf Luain ein Tau zu, und dieser fing es instinktiv auf. Eine weitere Welle rollte drohend auf die Greylag zu, jetzt aus einem anderen Winkel, und traf sie mit voller Wucht breitseits. Diesmal schrie das Schiff förmlich auf, noch lauter als die Pferde. Das Spantenwerk gab Geräusche von sich, von denen Luain gar nicht gewusst hatte, dass es sie überhaupt erzeugen konnte, und in der Takelage gingen drei weitere Taue entzwei. Hoch oben über ihren Köpfen riss sich das Segel von den Brassen los und peitschte ungehindert im Wind. Selbst jetzt, auf dem Höhepunkt des Unwetters, während der orkanartige Sturm und der strömende Regen und die See ihr Bestes taten, um sie taub zu machen, hörte jeder einzelne Mann auf dem Schiff das Knallen der Segelleinwand und sah zum Mast hoch, wohl wissend, was das Geräusch bedeutete. Dann blickten sie alle bis auf den letzten Mann zu Segoventos hinüber und beschworen ihn stumm, sie zu retten. Der große, stämmige Mann stand einen Moment lang völlig fassungslos und wie gelähmt da, dann stemmte er beide Füße auf die Decksplanken und lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht auf das Steuerrad, während er verzweifelt darum kämpfte, das Schiff zu wenden und aus dem Wind zu drehen.
    Die Greylag war seine Ehefrau, seine Geliebte und seine Tochter. Er liebte sie ebenso innig, wie Luain seine thessalische Stute liebte, und er hatte schon eine halbe Ewigkeit länger mit ihr gelebt, bei ihr geschlafen und sich um sie gekümmert, als es der Händler mit seinem Pferd getan hatte. Jetzt verwendete er seine gesamte beträchtliche Körperkraft darauf, das Ruder herumzureißen, um die Greylag durch äußerste Willensanstrengung und Muskelkraft zum Abdrehen zu zwingen. Einen kurzen Moment lang sah es so aus, als könnte es ihm gelingen. Luain betete so inständig, wie er noch nie zuvor gebetet

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