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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Einzig Blanca wollte hinter der Fassade der Zufriedenheit einen heimlichen Kummer entdecken, der sich nur in kleinen Gesten bemerkbar machte, beispielsweise in Marocias Unfähigkeit, herzlich zu lachen, oder in ihrem melancholischen Blick, wenn er über das Tal strich.
    Marocia erwiderte die freundliche Begrüßung ihrer Halbschwester, dann sagte sie: »Ich kann mir doch unmöglich die Aufführung des französischen Mysterienspiels entgehen lassen, dessen Manuskript ich dir im Sommer zugeschickt habe. Ich war ehrlich überrascht, als du mir in deinem Brief von einer für den dritten Advent geplanten Schaustellung berichtet hast. Es ist immerhin etwas Neuartiges, und wie ich dich kennen gelernt habe . . .«
    Blanca schmunzelte wie eine Ertappte. »Ich gebe zu, ich war lange Zeit skeptisch. Ein Spiel zum Advent! Aus dem Westfrankenreich! Musik, Tänze, Dichtung. Und
ecclesia
tritt in weiblicher Gestalt auf. Die Kirche als Frau: recht kühn. Es spricht stark die Sinne an und scheint mir deshalb vom eigentlichen Glauben abzulenken.«
    »Von den Nonnen sagt man doch, sie seien mit Gott verheiratet«, neckte Marocia sacht. »Ein wenig Ablenkung, meine ich, tut jeder Ehe gut.«
    Blanca hätte eigentlich empört sein müssen, aber sie kannte Marocias ironische Einstellung zu Gott, darum stemmte sie nur kurz die Arme in die Hüfte, um sie gleich danach wieder lächelnd zu senken.
    Sie gingen jetzt gemächlich den Kreuzgang entlang. Der Nebel schlüpfte in Schwaden zwischen den Säulen hindurch und verhüllte das andere Ende des schmucklosen Ganges. Ein feiner Sprühregen trieb den beiden Frauen entgegen. »Erzähl mir von den Kindern«, bat Blanca. »Hat Clemens sich am Hofe eingewöhnt?«
    Marocia atmete einen kräftigen Zug der feuchten Dezemberluft ein. »Weißt du, Blanca, es war eine versöhnliche Geste von Alberic, Clemens wieder nach Spoleto zu rufen, und ich liebe den Jungen wirklich über alles, nur . . . ich glaube, es war ein Fehler, ihn aus seinem Kloster zu holen. Clemens ist so zerbrechlich, und seine beiden Geschwister sind ihm so überlegen.«
    »Sie sind aber doch viel jünger als er.«
    Marocia nickte. »Alberic minor ist sechs, Eudoxia sieben.« Marocias schönes Gesicht bekam jetzt wieder diesen Anflug von Kummer. »Sie haben es beide nicht leicht und lassen das an Clemens aus. Alberic minor bekommt von seinem Vater zu viele Freiheiten, darf die Diener herumkommandieren, seine Geschwister beschimpfen und solche Dinge. Und Eudoxia . . .« Marocia seufzte
    Eudoxias Problem konnte Blanca sich vorstellen. Und was Marocia betraf: Sie hatte diese Nacht am Garigliano noch immer nicht verwunden. Man musste nur in ihre Augen sehen.
    »Hast du je mit deinem Mann über Eudoxia gesprochen?«, fragte Blanca einfühlend.
    »Himmel, nein«, stieß Marocia hervor. »Das wäre grundfalsch.«
    »Du meinst, er weiß noch immer nicht, dass . . .«
    »Oh, er kann gut rechnen, natürlich ahnt er etwas. Blanca, es ist schrecklich, mit anzusehen, wie Alberic die Kleine ignoriert, wie er sich mit ihrem Bruder unterhält, während sie mit großen traurigen Augen dabeisteht und nicht ein einziges Wort von ihm empfängt. Das Schlimme daran ist, dass er damit gar nicht so sehr Eudoxia treffen will, sondern vielmehr mich.«
    »Ja aber«, rief Blanca entsetzt, »was denkt er denn, wer Eudoxias Vater ist?«
    »Lando, vermute ich.«
    Der Name war gefallen – zum ersten Mal seit sieben Jahren. Damals hatte Blanca von ihrer Schwester alles über Lando erfahren, restlos alles, und als Äbtissin hatte sie es als ihre Pflicht angesehen, Marocia von jedwedem weiteren Kontakt zu Lando abzuraten. Soweit sie wusste, hatte Marocia sich daran gehalten, warum auch immer. Aber heute war Blanca sich an manchen Tagen nicht mehr sicher, ob dieser Rat richtig gewesen war.
    Sie betraten Blancas Klosterzelle, die größer war als die Zellen der übrigen Nonnen. Zwar waren die Böden und Wände fast kahl, aber einige schwere Pinienmöbel, darunter eine Vitrine mit Büchern und zwei gepolsterte, hochlehnige Sessel, gaben dem Raum etwas Gemütliches. Eine Schwester brachte einen Krug heißen Wassers. Während Blanca damit beschäftigt war, einen Tee aus getrockneten Holunderblüten aufzubrühen, schweifte Marocias Blick über das stille, nebelverhangene Tal des Liri, so als liege darin die Vergangenheit verborgen, ihre Abenteuer, ihre Menschen, ihre Fehler.
    Blanca drückte ihrer Schwester den warmen Becher in die Hand. »Ich nehme an, du hast einen guten

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