Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Typhus und Cholera. Rom war eine schmutzige, sterbende Stadt, der die Menschen davonliefen.
Den Magistrat hatte dies bisher wenig interessiert. Die Stadtregierung war in der Vergangenheit ausschließlich damit beschäftigt gewesen, ihren Reichtum zu mehren, und das war bislang am besten gegangen, wenn sie sich dem Willen einer Ageltrudis und später einer Theodora beugte. Die Taschen und Truhen voll von byzantinischen Münzen, hatten die höchsten Beamten schon lange nicht mehr regiert.
»Dieser Platz ist für einen Markt nicht geeignet«, stellte Marocia fest. »Wir werden ihn dorthin verlegen, wo unsere glanzvollen Vorfahren ihn abgehalten haben – auf dem Forum unterhalb des Palatin.«
Ablabius, der
primus magistratus
, zog nur kurz die buschigen schwarzen Augenbrauen in die Höhe, dann unterbrach er sie: »Wenn Ihr meint . . .« Die Frage des Marktstandortes schien ihn nicht sonderlich zu interessieren; mit der nächsten Entscheidung Marocias war das anders.
»Ferner werden ab morgen keine
besanti
mehr akzeptiert.«
Dem
magistratus
entglitten alle Gesichtszüge. »Das kann unmöglich Euer Ernst sein. Byzantinische Münzen sind das wichtigste Zahlungsmittel in Rom.«
»Wir haben eigene Münzen.«
»
Manci
und
denari
werden kaum benutzt.«
»Das wird sich ändern«, sagte Marocia. »Die Stadtkasse wird künftig keine
besanti
mehr annehmen. Steuern können nur noch mit italienischen Gold- und Silbermünzen gezahlt werden, und nur solche werden auch ausgegeben. Nach einer gewissen Zeit werden die Bürger von sich aus keine
besanti
mehr wollen.«
»Die byzantinischen Händler werden fortbleiben«, knirschte der
magistratus
.
»Sollen sie doch.«
»Wer wird sie ersetzen?«
Marocia blieb stehen und sah den Mann an. Er war ein Anhänger der Byzantiner, so viel wusste sie schon, eher eine Art Botschafter des Imperiums als ein Vertreter römischer Interessen. Doch er war rechtmäßig gewählt worden, und Marocia akzeptierte das. Sie wollte nicht ebenso willkürlich regieren wie ihre Vorgängerin im Amt der Senatrix, wie ihre Mutter.
»Das, ehrwürdiger
magistratus
, werde ich Euch zu gegebener Zeit mitteilen«, antwortete sie lächelnd.
Er straffte sich. »Bitte sehr«, sagte er beleidigt. »Aber wer weiß, ob Ihr noch die Gelegenheit dazu haben werdet. Denn die byzantinische Flotte kann täglich an der tyrrhenischen Küste landen, und ob Ihr Rom gegen Tausende erfahrener Waffenträger halten könnt, bleibt abzuwarten.«
Marocia lächelte ihn unverdrossen an. »Nun, das sollte nicht Euer Problem sein. Denn Ihr habt sicherlich wenig von den Feinden Roms zu befürchten, nicht wahr?« Dann schien ihr etwas einzufallen. Sie holte eine Schriftrolle aus ihrem Gewand hervor und überreichte sie dem
magistratus
. »Bevor Ihr geht, um meine Anordnungen umzusetzen . . . Lest dies hier. Es kam heute Morgen und wird sicher eine ungeheure Beruhigung für Euch sein.«
Der
magistratus
rollte das knisternde Papier auf und überflog die Zeilen. Mit jedem Atemzug ergraute sein Gesicht mehr. »Die . . . die byzantinische Flotte ist gesunken?«
»Leider«, bestätigte Marocia ironisch seufzend. »In einem Sturm. Und die wenigen Schiffe, die unbeschädigt blieben, wurden bald darauf von den Sarazenen aufgebracht. Es scheint, als würde unsere Zusammenarbeit noch eine Weile fortgesetzt, ehrwürdiger
magistratus
.«
Er sah abwechselnd die Schriftrolle und Marocia entsetzt an.
»
Deus le volt
«, tröstete Marocia ihn. »Gott will es.«
Mit der Aufforderung, die Botschaft von den Magistratsschreibern vervielfältigen zu lassen und überall in der Stadt kundzutun, entließ sie den
magistratus
seines Weges und setzte den Spaziergang allein mit ihrer Familie fort. Obwohl sie vor Tatkraft nur so strotzte, obwohl sie das Regieren mehr als Entspannung denn als Arbeit auffasste, war sie doch froh, sich endlich einmal um ihre Kinder und um private Angelegenheiten kümmern zu können.
Sie waren am höchsten Scheitelpunkt der Fabricischen Brücke angekommen und überschauten das Areal. Hier, wo der Tiber am Circus Maximus und dem Marcellus-Theater entlangfloss, unterhalb des Kapitols, erhob sich inmitten des Stromes und, verbunden durch zwei Brücken zu den Ufern, die
Isola Tiberina
, die Tiberinsel. Der launischen Natur hatte es gefallen, ihr die Form eines Schiffsrumpfes zu geben, und ein ägyptischer Obelisk, der von den Römern in der Antike aufgestellt worden war, machte mit seinem mastartigen Aussehen dieses Bild nahezu perfekt.
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