Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
hoffe, unbestritten unter uns, dass der Aufstand gegen den Heiligen Vater gleichzeitig als Aufstand gegen mich, gegen meinen Sohn wie auch gegen unseren Verbündeten, den Kaiser in Byzanz, zu verstehen ist, also gegen jede weltliche und geistliche Ordnung. Treueschwüre reichen nicht länger aus.«
Wie eine Medusa blickte Ageltrudis in die bleichen Gesichter der Versammelten. Die Beamten Roms und deren Frauen, auch Theophyl und Theodora, trauten sich nicht, sich zu bewegen, aus Angst, dadurch auf sich aufmerksam zu machen. Ageltrudis genoss diese Furcht der anderen ebenso, wie sie sie verachtete.
Sie begann mit einem Dank an Sergius. Er hatte ihr schnelle Nachricht zukommen lassen und sich als zuverlässig erwiesen. Doch damit schien ihre Gnade auch schon erschöpft. »
Superista
«, rief sie den Präfekten der städtischen Miliz eisig mit seinem Titel an. »Haben die Mannschaften sich in Bordellen vergnügt? Wie konnte es geschehen, dass dahergelaufener Pöbel Gewalt über die Ewige Stadt bekam?«
Der Präfekt trat vor. Er war ein Mann mittleren Alters und ein persönlicher Freund Theophyls. Gelegentlich trafen sie sich zu einem Krug Falerner und redeten über ihre gemeinsame Jugendzeit, als das Byzantinische und das Ostfränkische Reich noch nicht um die Vorherrschaft über Italien und den Einfluss auf die Päpste stritten, als es noch galt, kleine Diebe und Messerstecher zu fassen und zu verurteilen. »Gegen ein aufgebrachtes Volk vorzugehen lag nicht in unseren Möglichkeiten«, rechtfertigte er sich schnaubend. »Das alles wäre nicht geschehen, wenn . . .«
»Schweigt!«, rief Ageltrudis. »Ihr wart entweder unfähig oder unwillig, den Heiligen Vater zu beschützen. Ich glaube an das Letztere.«
Der Präfekt brauste auf. »Ich habt kein Recht, so mit mir . . .«
»Genug der Worte«, wetterte Ageltrudis und klatschte mit der flachen Hand auf die Lehne des Throns. Sie hustete stark und holte ein Tuch hervor, mit dem sie sich den Mund abwischen konnte. Als sie es wieder wegsteckte, achtete sie darauf, dass niemand die Blutflecke darauf sehen konnte. »Ihr seid ein Gehilfe der Ostfranken,
superista
, ein
Deutscher
.« Sie spie das Wort geradezu aus. »Daher enthebe ich Euch des Amtes und verurteile Euch zum Tode. Hängt ihn auf!«
Zwei Soldaten ergriffen den Präfekten und führten ihn ab.
Theophyl wollte protestieren. »Aber das . . .«
Doch Theodora zischte zwischen den Zähnen hervor: »Sei ruhig, du Narr. Oder willst du uns alle ins Verderben stürzen?«
»
Praetor urbanus
«, schallte es nun durch den Saal, und Theophyl trat mit gebeugtem Körper einen Schritt nach vorne. »Was hat die Gerichtsbarkeit im Vorfeld getan, um den Aufstand zu verhindern? Ihr habt doch Spione?«
Theophyl hatte kaum Spione, und die wenigen waren unzuverlässig und bestechlich. Immer wieder war es vorgekommen, dass sie Verbrechen berichteten, die nie stattgefunden hatten. Sie ließen sich von irgendjemandem bezahlen, der einen missliebigen Rivalen loswerden wollte. Männer entledigten sich auf diese Weise ihrer Schwiegermütter, um sie nicht länger im eigenen Haus verköstigen zu müssen, oder ihrer Frauen, um sie in die Schande und Armut verstoßen zu können. Auch Kaufleute nutzten diesen vergleichsweise sicheren und billigen Weg, um Konkurrenten an den Henker zu bringen, und einmal war es sogar vorgekommen, dass ein heidnischer Sklave seinen jähzornigen Hausherrn mittels behördlicher Spione beseitigen ließ. Wer einige
besanti
, die begehrten byzantinischen Goldmünzen, aufzubringen vermochte, konnte sich ein beliebiges Todesurteil kaufen. Der Spitzel konstruierte ein Verbrechen – Diebstahl war besonders beliebt, weil leicht zu arrangieren –, und schon war ein harter Richterspruch so gut wie sicher.
Theophyl verabscheute dieses korrupte Spitzelwesen, und er wollte Ageltrudis’ Frage gerade verneinen, als Sergius für ihn antwortete.
»Der edle Theophyl hat schon vor Monaten Listen mit Verdächtigen angelegt. Ich habe sie gesehen. Sie sind umfangreich und lassen keine Wünsche offen. Man kennt die Namen der Rädelsführer und ihre Aufenthaltsorte. Sobald Euer Durchlaucht es befehlen, werden die Schuldigen verhaftet.«
»Warum hat man sie nicht schon vorher verhaftet?«
Sergius sah Ageltrudis direkt in die Augen. »Wir hatten die Aktion bereits geplant, bloß. . . der Mob ist uns zuvorgekommen.«
»Stimmt das,
praetor urbanus
?«
Theophyl zögerte. Der ganze Saal blickte auf ihn, hielt den Atem an. Warum,
Weitere Kostenlose Bücher