Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
habt.«
»Weil Ihr mir dann wieder einmal beweisen könnt, wie viel seliger ein gottgefälliges Leben macht?«
Pater Bernard ließ eine Weile verstreichen, bevor er mit milder, geduldiger Stimme antwortete. »Es zeigt ganz einfach, dass du mich noch nicht ganz vergessen hast, Theodora. Wie oft habe ich dafür gebetet! Es war doch dein Vorschlag, mit euch nach
Sanctus Sebastianus
zu flüchten, nicht wahr?«
»Also schön«, gestand Theodora gereizt. »Es war mein Vorschlag. Was heißt das schon?«
Der Pater bemühte sich, nicht zu lächeln. Stattdessen machte er eine höfliche Geste mit der Hand in Richtung einer Tür. Er öffnete sie und trat mit Theodora in einen Treppengang, der in eine wenig benutzte Seitenanlage der Katakomben führte. Sie gingen in einen großen, dunklen Raum, dessen Decke gerade so hoch war, dass der Kopf der hoch gewachsenen Theodora nicht anstieß. An den vereinzelt herumstehenden Sarkophagen konnte man auch in der Finsternis erkennen, dass es sich um eine Krypta handelte.
Pater Bernard entzündete eine der mit Pech bestrichenen Fackeln, führte Theodora langsam ein Stück in die Krypta hinein und setzte sich schließlich mit ihr auf eine Steinbank gegenüber eines besonders kostbar gestalteten Sarkophags. »Du weißt, weshalb ich dich hierher gebracht habe?«
»Meine Eltern liegen hier begraben«, antwortete sie ausdruckslos.
»Sie wären stolz auf dich«, behauptete Pater Bernard. »Ja, du brauchst es gar nicht abzustreiten. Du bist gut verheiratet, hast einen anständigen Mann, zwei Kinder, erwartest ein drittes . . .«
»Es ist von Johannes, dem Erzbischof von Ravenna.«
»Oh«, entrang es sich der Kehle des Paters.
Theodora grinste. »Ja, oh, ehrwürdiger Vater.
Das
ist aus Eurer Schülerin von einst geworden, der Ihr Lesen, Rechnen und Schreiben beigebracht habt, der Ihr Heiligenbilder erklärt habt, wie der kleinen Marocia eben. Ein untreues Weib, eine lasterhafte Hure. Und ich schäme mich nicht deswegen. Ich bin ehrgeizig, und ich bin froh, dass ich es bin. Für die Macht über diese Stadt würde ich alles tun. Verraten, verkaufen, vernichten.«
»Was du liebst, vernichten? Deine Kinder verraten?«
Theodora riß sich von seinem Blick los, faltete die Hände und schloss die Augen. Nach einer Weile sagte sie: »Also, was haltet Ihr von mir?«
Pater Bernard entgegnete zuerst nichts. Er fuhr sich mit seiner von jahrelanger Arbeit zerfurchten Hand über die Bartstoppeln und die alten, müden Augen. Er war ein Mann, der in seiner schlichten braunen Kutte, den ledernen Sandalen und dem schmucklosen Holzkreuz um den Hals leicht als Geistlicher der alten Schule zu erkennen war, dem die Botschaft Christi am Herzen lag. Im Gegensatz zu anderen
patres
,
diakones
und höheren Prälaten Roms machte er sich nichts aus feinen Stoffen und üppigen Speisen, aus mondäner Unterhaltung und weinseligen Vergnügungen. Historische Studien in alten Büchern waren seine einzige Ablenkung, seit er vor fünfzehn Jahren aufgehört hatte, Theodora im Auftrag ihrer Eltern zu unterrichten. Aber gerade weil Pater Bernard sein Amt und die Botschaft Christi so ernst nahm, lagen ihm scheinheilige Empörung und Bigotterie völlig fern.
Er nahm Theodora bei der Hand, führte sie zum Sarkophag und kniete mit ihr davor nieder. Die im Marmor eingemeißelten Szenen der Auferstehungsgeschichte vor Augen, schwiegen sie. Nur ein gelegentliches Knistern der Fackel unterbrach die Stille. Keiner von beiden wusste, wie viel Zeit vergangen war, als Pater Bernard endlich flüsterte: »Du hast den anderen den Vorschlag gemacht, sich in dieser Kirche zu verbergen, weil du gehofft hast, mir von deinen Gedanken erzählen zu können. Du wolltest – beichten.«
»Mir war elend«, rechtfertigte Theodora sich. »Um mich herum waren nur Tod und Zerstörung. Ich wusste nicht mehr, was ich tat.«
Pater Bernard nickte in die Stille hinein. »So ist es. Du hast nicht nachgedacht, sondern getan, was dein Inneres dir gesagt hat. Genauso wie eben, als du mir alles erzähltest.
Das
ist die wahre Theodora. Das bist du. Wenn du nur willst, kannst du Ageltrudis, Johannes und die Byzantiner überwinden und dich selbst wieder finden.«
»Ihr habt die Byzantiner nie gemocht.«
»Ich habe die Anmaßung und die Gewalt nie gemocht.«
»Ihr wollt mich auf Eure Seite ziehen.«
»Seite! Aus deinem Munde hört sich alles immer so politisch an.«
»Himmel oder Hölle, Pater. Das sind die Seiten. Dazwischen ist nichts.«
»Dazwischen sind
Weitere Kostenlose Bücher