Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
lange gebraucht zu haben, um endlich – endlich! – den Stuhl Petri besteigen zu können.
»Komm runter«, lallte Hugo, »ich muss dir etwas sagen.« Desiderius kniete sich umständlich neben den König und hielt ihm das Ohr hin, das er begehrte. »Rom«, flüsterte der König, »ist zu klein für zwei Monster, wie wir es sind. Wenn ich dich nicht umbringe, wirst du mich umbringen.«
Einen Lidschlag lang sahen sie sich tief in die Augen, Desiderius entsetzt, Hugo entschlossen. In der gleichen Sekunde, in der Desiderius wieder die Prophezeiung Constanzas von Atri einfiel, griff Hugo seinen Kopf und tauchte ihn mit aller Heftigkeit in das Goldfischbecken. Desiderius zappelte, versuchte sich zu befreien, Luftblasen sprudelten, Wasser spritzte, doch Hugos starker Griff war unnachgiebig. Dann war alles vorbei.
Leblos, mit den Armen voran, hing der lange, hagere Körper des Geistlichen über dem Rand des Beckens, und Hugo schwankte davon, das Dokument in Händen und eine Melodie vor sich hin summend.
Nach einigen Augenblicken, in denen es still blieb im Atrium, verbreiterte sich wie von Zauberhand der Spalt einer Seitentür, die nur angelehnt gewesen war, und Alberics Kopf lugte hervor.
»
Resquiescat in pace!
«, gellte Clemens’ dünne Stimme durch die Krypta der Laterankirche. Ruhe in Frieden. Dann zeichnete er mit der rechten Hand ein großes Kreuz in die Luft, verneigte sich knapp vor dem Sarkophag und verließ die Grabkammer durch die Gasse, die die anwesenden Würdenträger ihm bildeten.
Als er die vielen Leute hinter sich gelassen hatte, schickte er die Mönche und Novizen, die sein Gefolge bildeten, fort und bog in einen anderen, menschenleeren Teil der verschlungenen Krypta ein. Durch die fast vollkommene Dunkelheit tastete Clemens sich voran. Vor einem der Sarkophage seiner Vorgänger kniete er nieder, es war das Grab Sergius III., seines Vaters, den er nie kennen gelernt hatte.
Stumm blickte er auf den schemenhaften, angestaubten Stein. Was wohl sein Vater über ihn dächte, würde er sein Treiben verfolgen können? Gerade hatte Clemens die Messe für einen Ermordeten gelesen. Ganz Rom wusste, dass Hugo der Täter war, jedenfalls war ein entsprechendes Gerücht im Umlauf. Doch anstatt dass Clemens die Tat anprangerte, verkündete er vor allen, dass auch der König bestürzt und in Trauer sei. Clemens wusste, es war falsch, Hugo zu folgen, der seine Mutter eingesperrt und sich immer mehr zu einem Tyrannen entwickelt hatte. Aber er wusste auch, was ihm drohte, wenn Hugo die Macht eines Tages verlieren würde. Sie hatten einen gemeinsamen Feind, Alberic. Und das allein rechtfertigte in Clemens’ Augen jeden Pakt, selbst den mit dem Teufel.
Clemens vergrub sein Gesicht in den knöchrigen Händen, so als ertrage er den Anblick des Sarkophags nicht länger. Er schluchzte, erschauerte, schwitzte, und ab und an befiel ihn ein keuchender, trockener Husten. Jeden Tag kämpfte er gegen seinen Hass auf den Halbbruder, und jeden Tag wurde der Hass stärker und der Widerstand dagegen schwächer. Dieses eine Gefühl füllte ihn mittlerweile fast vollständig aus, ja, ihm kam es vor, als hielte allein das ihn am Leben. »Nein, Vater«, flüsterte er plötzlich in die Stille der Halle hinein. »Ich komme nicht zu dir, ehe Alberic vollständig besiegt ist.«
»Wo warst du denn so lange?«, empfing Hugo den Papst, als dieser seine Gemächer im Lateran betrat. »Ich warte hier schon eine Stunde auf dich. Sag schon, wie ist es gelaufen?«
Clemens zuckte gleichmütig mit den Schultern. Er öffnete die Schnalle seines silbern durchwirkten Umhangs, warf das Kleidungsstück achtlos über einen Stuhl und setzte dann die golden schimmernde Tiara ab. Hugo riss ihm das päpstliche Wahrzeichen aus der Hand und schleuderte es zu Boden.
»Ich bin es gewohnt, dass mir zügig geantwortet wird«, zischte er.
Clemens hob die Tiara sofort auf. »Jeder da unten weiß, dass du der Mörder bist«, erklärte Clemens. »Egal, was ich sage oder welche Trauermiene du auch immer aufsetzen wirst. Die Stimmung in der Stadt kippt.«
Für einen Moment schreckte Hugo auf, so als sei seit Jahren zum ersten Mal eine Stimme an sein Ohr gedrungen, und seine Pupillen zuckten so geschwind wie seine Gedanken hin und her. Doch ebenso schnell beruhigte er sich wieder, als ihm einfiel: »Wenn schon, ich habe genügend Soldaten in Rom postiert.«
»Es hätte erst gar nicht so weit kommen müssen!«, kläffte Clemens ihn an.
Hugo packte das Handgelenk
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