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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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schmiedeeisernes Gestell, war kostbar gearbeitet und mit einer weichen, aus Fellen und Wolle gestopften Matratze ausgestattet, aber es stand mitten im Raum und war ohne Kopf-, Fuß- oder Seitenteile. Marocia sprang auf und flüchtete sich in eine Ecke des Zimmers, die vom schwachen Mondschein in ein diffuses Licht getaucht wurde. Hier kauerte sie am Boden, bis die Tür aufging und eine Gestalt mit einer Kerze hereinkam.
    »Bist du es, Mama?«
    »Nein, ich bin es nur. Egidia.« Die Amme raffte ihr weites, sackartiges Nachthemd etwas hoch, so dass ihre fülligen Beine bis zu den Knien frei waren, und setzte sich umständlich neben Marocia auf den Boden. Dann seufzte sie, strich sich ihre dünnen braunen Haare aus der Stirn, stellte die Kerze neben sich ab und küsste Marocia auf die Wange.
    »Mama!«, beharrte Marocia und ergriff Egidias dargebotene Hand. »Du bist da.«
    »Hast wieder geträumt?«, fragte Egidia.
    »Der Papst. Ageltrudis. Theodora.«
    »Sie leben«, erklärte Egidia geduldig, obwohl sie es der Kleinen in den vergangenen Wochen gewiss schon zwanzigmal wiederholt hatte, fast in jeder Nacht. »Musst dir keine Gedanken um sie machen. Niemand, den wir kennen, ist beim Einsturz der Kirche gestorben. Darfst dich nicht länger ängstigen, mein Kleines.«
    »Der Papst. Ageltrudis. Theodora.«
    »Es geht ihnen gut«, bestätigte Egidia sanft und wischte Marocia die Schweißperlen von der Stirn. »Träume nicht schlimm von ihnen, Kleines.«
    »Ich träume nicht von ihnen«, sagte Marocia und blickte ins Mondlicht. »Es ist das . . . der . . . der . . .«
    Egidia bekreuzigte sich. Auch sie brachte den Namen nicht mehr über die Lippen. Zum einen hatte der Heilige Vater verfügt, dass sein verurteilter Vorgänger aus dem Gedenken der Menschen zu löschen sei, und Egidia tat immer, was die Heiligkeiten verlangten, auch wenn sie die Entscheidungen nicht immer guthieß. Aber sie war doch nur ein einfaches Ding, während die Väter voller Weisheit waren. Sonst hätte Gott sie schließlich nicht auf seinen weltlichen Thron berufen. Dieses Mal jedoch fiel Egidia die Befolgung der päpstlichen Anordnung nicht schwer, denn der Name des unheiligen, geächteten Vaters war mit der schaurigsten Vorstellung verknüpft, von der die Christenheit je betroffen war. »Weiß schon, Kleines«, tröstete Egidia. »Musst mir nichts sagen.«
    Marocia warf sich der Amme in die Arme. Sie liebte es, ihre Wärme zu spüren, ihre rundliche Weichheit, ja sogar ihr borstiges Nachthemd. Wenn sie den seifigen Duft ihrer Haut roch, fühlte sie sich geborgen, als könnte ihr niemand etwas antun. Allein Egidias helle Stimme zu hören und ihren plumpen Bewegungen zuzuschauen, gab ihr das Gefühl, zu Hause zu sein, in ihr ihre wirkliche Mutter zu haben. Nur ihr allein konnte sie sich anvertrauen. »Weißt du was? Ich hasse sie«, sagte Marocia. »Den Papst. Ageltrudis. Theodora. Sie sind schuld, dass ich
ihn
sehe.«
    Egidia schreckte auf. »Du . . . Jesus und alle Heiligen! Darfst so etwas nicht sagen.« Sie bekreuzigte sich und schaute Marocia eindringlich in die Augen. »Darfst so etwas auch nicht denken. Deine Mutter hassen! Die Heiligkeit hassen!«
    »Magst du sie denn?«
    »Fragen kannst stellen, du lieber Himmel.«
    »Also?«
    »Nicht mögen ist eine Sache. Hassen . . .«
    Marocia gähnte gedehnt und schmiegte sich an Egidias Brüste. Mit halblauter, müder Stimme sagte sie: »Sie behaupten, Gott habe . . . habe
ihn
vernichtet. Nein, nein. Gott macht so etwas nicht. Gott macht gar nichts. Sie waren es. Irgendwann werden sie dafür bestraft. Aber nicht von Gott . . .«
    Egidia drückte ihre Kleine noch fester an sich. Was für eine Zeit, in der kleine Kinder solche schrecklichen Dinge erleben mussten. Aber es stimmte ja, was das Mädchen ahnte. Auf den Märkten, in den Tavernen, in den Winkeln der Gassen schimpften die Leute auf die Heiligkeit und die Edlen. Der Einsturz der Laterankirche, munkelten sie, sei dem Zorn des geschändeten Formosus zuzuschreiben, und weitaus Schlimmeres würde die Ewige Stadt heimsuchen, wenn der Verfemte nicht gerächt und alle Überlebenden des Einsturzes getötet würden. Neulich hatte der Gehilfe des Holzhändlers ihr zugeflüstert, es wäre besser für sie, aus dem Haushalt des
praetor urbanus
zu verschwinden, solange es noch ginge. Und nach Einbruch der Dämmerung rannten gelegentlich Männer an der Villa vorbei und riefen: »Ihr seid auch mit dran, wenn es soweit ist!« Doch hier im Haushalt wurden diese

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