Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
erwachte.
»Was ist denn hier los?«, fragte er. Sein Haar war völlig zerzaust.
»Egidia wird uns verlassen.«
»Weshalb?«
»Weil sie . . .« Theodora senkte kurz die Augen und atmete einmal tief durch. Sie rief einen Diener herbei und befahl ihm: »Bring dem Senator einen Krug vom besten Wein.« Dann wandte sie sich wieder an ihren Mann. »Zufrieden?«
»Du widerst mich an«, sagte Theophyl und verschwand.
Alle Einwände und Schuldbekenntnisse Marocias änderten nichts an Theodoras Urteil. »In dieser Stadt«, rief sie Egidia abschließend entgegen, »wirst du keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen, dafür sorge ich. Du kannst froh sein, dass ich dich nicht mit dem Stock bestrafen lasse. Aber ich will kein Aufsehen.«
Zum Abschied sahen Egidia und Marocia sich lange in die Augen. »Wäre ich bloß nicht so eigensinnig gewesen«, flüsterte Marocia. »Wenn ich dich nicht aus dem Zimmer geschickt hätte . . .«
Egidia schüttelte stumm den Kopf und tupfte ihr die Tränen von der Wange. »Ach, lass doch, Kind. Der Herrgott hat’s so gerichtet. Der Regnald und ich, weißt du, jetzt können wir heiraten, irgendwo hingehen.«
»Wirst du mir schreiben?«, schluchzte Marocia.
»Weißt doch, kann nicht schreiben. Aber der Regnald, der kann’s ein kleines bisschen.« Sie seufzte tief, dann umarmte sie Marocia, wie sie es schon Tausende Male getan hatte, fest und liebevoll.
»Mein Mädchen«, nannte sie sie ein letztes Mal. »Vergiss mich nicht ganz.«
Dann ging sie, den Kutscher neben sich, davon.
»Nie«, flüsterte Marocia, bevor sie in die Villa zurückging und die Pforte hinter sich schloss.
Die zweite Folge des unseligen Vorfalls in Marocias Gemach stellte sich erst nach einiger Verzögerung ein. Gegenüber Johannes zeigte Theodora sich nur kurzzeitig verärgert, dann amüsierte sie sich wieder mit ihm, so dass er glaubte, sie habe ihm verziehen. Als jedoch wenige Wochen später der Papst starb, ließ Theodora der Kurie heimlich mitteilen, dass sie nicht – wie bisher für einen solchen Fall vorgesehen – Johannes als neuen Pontifex wünsche, sondern Sergius. Johannes erfuhr davon zunächst nichts, doch als Sergius von den versammelten Prälaten mit nur einer Gegenstimme gewählt wurde – Johannes’ eigener –, wusste er, wer dahinter steckte.
Es gab eine heftige Auseinandersetzung zwischen ihm und Theodora, die an Lautstärke alles übertraf, was man je in der Villa Sirene gehört hatte, und die damit endete, dass Theodora ihm nahe legte, ja geradezu befahl, die Ewige Stadt für eine Weile zu verlassen. Sie übertrug ihm eine diplomatische Mission nach Byzanz, wo er weitere Gelder für Bestechungen beschaffen sollte.
Doch dann änderte sich ihr harter Ton, er wurde verletzlich. »Versteh mich nicht falsch«, schränkte sie ihre Vorwürfe mit niedergeschlagenen Augen ein. »Ich . . . hänge sehr an dir und will unsere Beziehung keinesfalls abbrechen. Aber du hast mich mit dem, was du getan hast, verletzt. Ich dachte immer, dir liegt etwas an mir, und nun . . .« Sie straffte sich. »Etwas Zeit zum Nachdenken wird uns beiden gut tun. Falls du dich benimmst, wird es wie früher zwischen uns sein. Versprochen.«
Vordergründig beugte er sich ihrem Willen, ja, er gab sich sogar zahm, sobald er merkte, dass er nicht gegen Theodora ankam. Doch als Johannes die Villa verließ, verfinsterte sich seine Miene. »‹Benimmst›!«, murmelte er vor sich hin. »Verdammtes Weib! Das wird dir noch bitter Leid tun. Euch beiden wird es Leid tun.«
8
Am Morgen von Marocias sechzehntem Geburtstag saßen Pater Bernard und seine Schülerin zum letzten Mal beisammen. Theodora hatte ihm einen Tag zuvor mitgeteilt, dass seine Dienste fortan nicht länger benötigt würden. Der Unterricht für Marocia, so stand in dem ebenso höflichen wie kühlen Brief, werde sich künftig an dem orientieren, was eine
Frau
wissen müsse.
»Nach allem, was ich mir an Wissen angeeignet habe? Will sie, dass ich sticke?«, rief Marocia, nachdem der Pater ihr Theodoras Brief gezeigt hatte.
Das wäre noch das Geringste, dachte Pater Bernard. Er hatte schon seit langem Sorge, was Theodora mit ihrer reifer werdenden Tochter vorhaben könnte, und seine plötzliche Entlassung deutete darauf hin, dass dieses Ereignis unmittelbar bevorstand. So blieb nichts anderes zu tun, als seinem Schützling am letzten Lehrtag die wichtigste von allen Lektionen zu vermitteln, die Seele des Wissens. »Ja, du weißt viel, Marocia, und keiner kann es dir
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