Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Doch Pater Bernards Gesicht war vollständig in seiner Kapuze verschwunden, die Hände in den Ärmeln verborgen. Er wandte sich ab.
»Nur du selbst«, sagte er und schritt langsam zur Tür. »Alles ist besser, als ein lasterhafter Mensch zu werden. Wirklich alles. Denke an meine Worte. Ich werde jeden Tag für dich beten, meine . . . meine geliebte Tochter.«
Am Nachmittag desselben Tages kam Marocia einer Aufforderung ihrer Mutter nach und betrat deren Arbeitszimmer, den größten Raum der Villa. Obwohl in jedem der beiden Kamine ein Feuer brannte, schlug Marocia als Erstes eine durchdringende Kälte entgegen, die in unangenehmem Kontrast zu Theodoras schwerem orientalischem Parfüm stand, das über allem hing. Durch das einzige Fenster drang nur das matte Licht eines verregneten Tages herein, und da noch keine Fackeln oder Kerzen entzündet waren, wirkte der Raum grau und freudlos. Marocia schien es auch, als sei das Zimmer seit ihrem letzten Besuch noch kahler geworden. Früher, als ihr Vater noch hier gearbeitet hatte, füllten hohe Regale und mächtige Truhen die weite Fläche, und Wandteppiche mit ländlichen Motiven aus der Toskana belebten die Wände. Doch stattdessen kündeten nun ein Dutzend verschlossener Schubladenschränke von Überwachung und Kontrolle, und die prunkvolle byzantinische Ikone hinter dem Schreibtisch zeigte Marocia noch einmal überdeutlich, welcher Geist hier vorherrschte. Nur der schmale, lang gezogene Teppich, der vom Eingang zum Schreibtisch führte, stammte noch aus Theophyls Zeit. Auf ihm schritt Marocia bis vor ihre Mutter und knickste ganz leicht.
Von ihrem Platz aus gestattete Theodora ihrer Tochter, sich zu setzen. Theodora sah nicht angespannt aus, ja nicht einmal interessiert, so dass Marocia annahm, sie würde nun wahrscheinlich ein kleines Geburtstagsgeschenk überreicht bekommen, vermutlich eine kleine, aufklappbare Kamee mit einer Ikone darin oder irgendein byzantinisches Kleidungsstück, so wie in den letzten Jahren. Doch als Theodora zögerte zu sprechen und anfing, mit ihren Fingern nervös auf der Marmorplatte des Schreibtischs zu trommeln, wusste Marocia, dass es um ein ernstes, vielleicht peinliches Thema bei dieser Zusammenkunft gehen würde.
Was kann sie mir schon noch nehmen?, beruhigte Marocia sich. Ich habe doch nichts mehr, keine Amme, keinen Lehrer, keine Freiheit. Und doch beschlich sie eine unangenehme Ahnung.
»Du bist ab heute eine erwachsene Frau«, begann Theodora.
Marocia verblüffte diese Feststellung. »Ich habe nichts davon gewusst«, sagte sie.
»Nun weißt du es. Und nicht nur erwachsen bist du, sondern auch«– sie suchte nach einem geeigneten Wort –»ansehnlich. Ich habe immer darauf geachtet, dass die Zofen dein Haar seidig halten, dass deine Haut nicht zu blass wird und deine Figur grazil bleibt. Es wird nun Zeit, dass du deiner Mutter etwas von ihrer Fürsorge zurückgibst. Ich . . .« Sie brach zögernd ab. Mit einer Feder, die herumlag, strich sie sich langsam über den sehnigen Handrücken und mied Marocias Blick, als sie sagte: »Ich möchte, dass du ausziehst.«
»Dass ich . . .
ausziehe
?«
Theodora zuckte mit den Schultern. »Was ist denn daran so ungewöhnlich? Du bist in einem Alter, in dem andere schon den Brautschleier tragen.« Sie schien etwas Ungewolltes gesagt zu haben, denn sie korrigierte sich sofort. »Was aber nicht bedeutet, dass der Ehestand erstrebenswert wäre. Du siehst ja, was aus deinem Vater geworden ist. Lassen wir das.«
Marocia senkte traurig den Kopf. »Ich soll also in ein Kloster gehen, ja?«
Theodora sah ihre Tochter einen Moment lang an, als habe diese in einer fremden Sprache zu ihr gesprochen. Dann kicherte sie kurz, versuchte es vergeblich zu unterdrücken und lachte schließlich so unangenehm laut, dass Marocia sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte. Dieses Gewieher erinnerte sie sehr an das von Ageltrudis.
»Du besitzt ja Humor«, meinte Theodora, als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. »Ein Kloster! Was für eine absurde Idee! Dort würdest du mir doch überhaupt nichts nutzen.« Wieder schien sie sich korrigieren zu wollen. »Was ich eigentlich sagen wollte: Ein Freund wird sich deiner annehmen. Du erinnerst dich doch an Sergius?«
Marocia hob schlagartig den Kopf. »Ihr wollt, dass ich in den Lateran ziehe, Mutter? Zum Papst?«
Theodora warf die Feder wieder auf den Tisch, stand plötzlich auf, ging zum Fenster und sah hinaus. Regentropfen klopften gegen die Scheibe,
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