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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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mehr nehmen. Aber weißt du auch, das Richtige vom Falschen zu trennen?«
    Marocia stützte die Ellenbogen auf den Tisch, faltete die Hände und legte ihr Kinn darauf ab. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Was habt Ihr mich schon Falsches gelehrt, Pater?«
    »Oh, ich lehrte dich nur den kleinsten Teil dessen, was du erfahren hast. Um dich herum«– er machte eine umfassende Geste –»wird Etliches gesprochen. Und du bist ein aufmerksames Kind, bekommst viel mit.«
    Sie errötete, aber weniger vor Scham als vor Wut. »Leon hat mich verraten, oder?«
    Pater Bernard lächelte gütig. »Schon vor Jahren, Marocia. Du darfst es ihm aber nicht übel nehmen. Er ist ein zarter Junge, und er möchte stets ein reines Gewissen haben. Im Übrigen hätte es seines Verrates nicht bedurft. Glaube nicht, dass ein armer Geistlicher wie ich keine Fantasie hätte. Immerhin beichten die Leute bei mir.« Er zwinkerte ihr belustigt zu, doch dann faltete er die Hände und beugte sich mit ernster Miene über die Tischplatte. »Zusammen mit dem Lateran ist dieses Haus das Zentrum der Politik auf der Halbinsel, und es bedarf schon eines außerordentlich naiven Gemüts, um nichts davon mitzubekommen.«
    Marocias Augen leuchteten. »Dann seid Ihr nicht böse, Pater?«
    »Nicht über die Tat an sich. Sie fällt unter wissenschaftliche Neugier.«
    »Da bin ich aber froh. Wisst Ihr, oft sitze ich stundenlang in meiner Kammer und überlege mir, welche Schritte
ich
als Nächstes tun würde, hätte ich die Macht. Das alles ist wie bei diesem chinesischen Brettspiel, das Ihr mir beigebracht habt.«
    Pater Bernard runzelte die Stirn und sah Marocia in die dunkel strahlenden Augen. Seine schlimmsten Befürchtungen schienen wahr zu werden. Konnte sie so kindlich geblieben sein? Die Welt als Spiel und sie als Spieler?
    »Brettspiel?«, schimpfte er in noch nie da gewesenem Zorn. »Schachfiguren leiden nicht, die Opfer deiner Mutter und ihrer Kamarilla sehr wohl. Versteh doch, der arme König Louis ist damals tatsächlich geblendet worden. Es steht nicht einfach nur in einem Buch oder wird wie eine Sage erzählt. Es
ist
geschehen. Er hat einem Menschen vertraut und . . . Weißt du auch, dass Berengar ihm die ganze Lombardei weggenommen und dass Louis’ Frau ihn zwischenzeitlich wegen seiner Blindheit verlassen hat? Und so sitzt dieser von allen Menschen aufgegebene Mann verstümmelt auf seiner Burg in Aix und dämmert vor sich hin. Und du . . .«
    Er hielt inne, denn er sah, dass Marocia mit den Tränen kämpfte. »Es tut mir Leid, mein Kind«, flüsterte er und ließ sich gegen die Lehne des Stuhls zurückfallen. Die Vorstellung, dass Marocia ab heute ohne eine vertraute Bezugsperson nur noch dem Einfluss dieses unseligen Hauses ausgeliefert sein würde, hatte ihn einen Moment lang um seine Fassung gebracht. Eine machthungrige Mutter, ein schwacher, unbrauchbarer Vater, intrigante Geistliche, der sich anbahnende Kampf zweier Großmächte um die Vorherrschaft in Italien: Marocias ganze Stellung in diesem Gefüge wies darauf hin, dass sie nicht nur sehr bald schon eine Figur in den Händen der – wie Marocia es nannte – Spieler sein würde, sondern irgendwann auch selbst eine Spielerin, vielleicht sogar deren Herrin. Er wehrte sich gegen eine solche Vorstellung, so wie er sich bei Theodora lange dagegen gewehrt hatte, aber sie rief ein täglich stärker werdendes Gefühl in ihm hervor, das er bisher kaum gekannt hatte: Zorn. Zorn auf Theodora, aber seltsamerweise auch auf Marocia. Seine Hoffnungen ruhten auf ihr wie auf einer Tochter oder einem Eheweib. Sie
durfte
nicht versagen in dieser Welt der Verführungen. Das würde er nicht überleben.
    »Ihr habt ja Recht«, sagte sie traurig. »Aber manchmal habe ich das Gefühl, als säße ich auf einem Floß, das flussabwärts treibt, und ich habe nur meine Hände, um dagegen zu rudern. Was soll ich denn jetzt machen, ehrwürdiger Vater? Ohne Egidia, ohne Euch?«
    Pater Bernard schüttelte erschöpft den Kopf. Dann streifte er sich die Kapuze seiner Kutte über und stand auf. »Gegen dein Blut kämpfen«, sagte er. »Erinnere dich an jedem einzelnen Tag deines Lebens daran, was du heute, an diesem Tag, zu dieser Stunde und an diesem Ort über die Methoden deiner Mutter und ihrer Verbündeten gedacht hast, wie viel Abscheu du in deinem Herzen darüber empfunden hast. Das ist deine beste Möglichkeit, nicht so wie sie zu werden. Und deine Einzige.«
    »Wer kann mir helfen?«, fragte sie und sah zu ihm auf.

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