Die Herrin der Pyramiden
Pihuni«, sagte er und kramte in einer Truhe. »Dort gibt es eine Bibliothek.« Dann hatte Aperire gefunden, wonach er suchte. Er hielt mir eine Papyrusrolle hin. »Lies, Nefrit, lies!«
Ich wusste nicht, wie ich Aperire anders danken sollte: Ich umarmte ihn.
Die Rolle enthielt die Aufzeichnung eines der berühmtesten Forschungsreisenden von Kemet, Neferefre. Ich setzte mich mit dem Buch ans Ufer des Hapi und begann zu lesen, als hinge mein Leben davon ab. Neferefre hatte viele Reisen im ganzen Land Kemet unternommen. Bilder entstanden in meinem Kopf von Gegenden, von denen ich noch nie gehört hatte. Der sich im Hapi spiegelnde Tempel von Pibastet. Die im Sonnenuntergang glühenden Felsen des Sinai. Das wogende Schilfmeer, das das Land Kemet von den östlichen Fremdländern trennte.
Und das Meer, das Ziel meiner Sehnsucht!
»Es ist schön, über diese fremden Orte zu lesen«, gestand ich, als ich Aperire die Rolle zurückgab. »Aber ich würde diese Orte lieber sehen, als nur davon zu lesen.«
»Das, Nefrit, wird dir wohl nicht vergönnt sein!«, äußerte er mit Bedauern. Wie sehr er sich irren sollte!
Glücklicherweise musste Aperire wenige Wochen später erneut in die Residenz fahren. Ich glaube, er freute sich über die Art und Weise, mit der ich ihm bei seiner Rückkehr ungeduldig die Papyrusrollen aus der Hand riss, die er für mich in der Bibliothek entliehen hatte.
Lesend verbrachte ich die Zeit der Flut.
Während des Winters des dritten Regierungsjahres machte ich mich in Aperires Schreibzelt nützlich. Er hatte kleine Aufgaben für mich, die ich gewissenhaft erfüllte. Ich durfte Notizen von Tonscherben auf Papyrus übertragen und Dokumente kopieren. Stundenlang saß ich in Schreiberhaltung mit einer Unterlage auf den Knien vor seinem Zelt und schrieb, bis mir die Hand wehtat.
Eines Tages schickte er mich als Boten zu Api, dem ich eine Papyrusrolle überbringen sollte.
Ich lief hinüber zum Zelt des Königlichen Bauleiters, konnte Api aber nicht finden. Das Betreten des Bauleiterzeltes war verboten, das wusste ich seit dem ersten Jahr auf der Baustelle. Aber das Verbotene übte einen unwiderstehlichen Reiz auf mich aus.
Das große Zelt bestand aus weißem Leinen. Zeltbahnen unterteilten das Innere in verschiedene Räume. Apis Schreibtisch aus geschnitztem Ebenholz war mit Papyri, Tintensteinen, Tintenschalen und geschnittenen Schreibbinsen bedeckt. Auf der anderen Seite des abgeteilten Zeltraumes stand ein großer Tisch, auf dem die Baupläne für die Pyramide gezeichnet wurden.
Api fand mich vor den auf Papyrus gemalten Plänen der Pyramide. Mit dem Finger zog ich die geraden Linien nach. Er musste mich eine Weile beobachtet haben, dann sagte er: »Nicht anfassen!«
Ich fuhr zusammen. »Ich habe nichts angefasst. Ganz bestimmt nicht!«
»Was tust du hier? Du darfst die Pläne nicht ansehen. Sie sind geheim.«
»Wieso?«, wollte ich wissen.
»Niemand darf wissen, wie der König bestattet werden wird.«
Vorsorglich verschwieg ich ihm, dass ich bereits bis zur Grabkammer des Königs vorgedrungen war.
»Aperire schickt mich«, sagte ich. »Ich soll dir das hier geben.« Ich reichte Api die Papyrusrolle, und er gab mir ein Stück Kupfer.
In den nächsten Tagen sandte Aperire mich immer wieder als Boten zum Bauleiter. Als ich einmal in seinem Zelt eintraf, suchte Api nach einem seiner Gehilfen. Er sprang vom Schreibtisch auf und hastete durch das Zelt. Dabei stolperte er beinahe über mich. »Was willst du, Nefrit?«
»Ich soll dir diese Rolle von Aperire bringen.« Ich hielt ihm einen Papyrus hin. »Das ist die vollständige Aufstellung der Lagervorräte.«
Er entriss mir die Liste und warf sie auf seinen Schreibtisch. »Ich habe heute keine Zeit für dich, Nefrit. Ich muss dringend auf die oberste Plattform. Irgendetwas ist passiert. Wo steckt dieser verdammte …?«
»Wen suchst du?«
»Meinen Gehilfen. Er soll das Zelt bewachen, solange ich weg bin.«
»Das Zelt bewachen?«
»Das Zelt des Bauleiters mit den geheimen Plänen für das Grabmal des Königs darf niemals unbewacht sein. Das ist Gesetz!«
»Ich könnte doch …«
»Das kommt nicht in Frage.«
»Aber warum denn nicht? Ich habe doch sowieso schon alle Pläne gesehen«, wandte ich ein.
Er sah mich verwirrt an. »Das stimmt.« Er zögerte. »Gut, aber nur dieses eine Mal, Nefrit. Du lässt niemanden herein! Und du rührst dich nicht von der Stelle, bis ich wieder hier bin!«
Api hatte sehr schöne
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