Die Herrin der Pyramiden
viele?«
»Ich habe sie nicht gezählt«, antwortete er ausweichend.
»Du hast viele Gefangene gemacht. Was hast du mit ihnen vor?«
»Sie sollen als Kriegsgefangene auf die Pyramidenbaustelle, die Wirtschaftsdomäne von Mempi und die neue Domäne von Iunu verteilt werden. Ich werde Kanefer entsprechende Vorschläge machen.«
»Und Urnammu? Du scheinst dich gut mit ihm zu verstehen.«
»Er ist mein Gefangener.«
Ist er das wirklich?, dachte ich.
Am nächsten Morgen brachen wir in Richtung Westen auf. Ramesse und Maatkare fuhren in ihren Wagen nebeneinanderher und unterhielten sich. Urnammu ritt neben mir und fragte mich aus über das Leben in Mempi.
»Ich kann mich gut an unsere letzte gemeinsame Reise erinnern, Nefrit. Wie geht es Khufu?«
»Ich nehme an, dass es ihm gut geht. Er ist in Moab.«
Urnammu war überrascht. »In Moab?«
Entweder war er ein unglaublich talentierter Schauspieler oder seine Spione in Amurru lieferten ihm falsche Informationen. Vielleicht trieb auch Ramesse ein falsches Spiel mit seinem vermeintlichen Verbündeten. Jedenfalls schien Urnammu nichts von Khufus und Djedefs Anwesenheit in Moab und Edom zu wissen.
Ich nutzte seine Verunsicherung und fragte ihn über Ramesses Erfolge als Feldherr aus. Ich erhielt einige Informationen zur Schlacht von Megiddo, zur Verfolgung von Urnammus Bruder Mesilim durch Ramesse und zur Entscheidungsschlacht in den Zedernwäldern. Urnammus Beschreibungen waren so ungenau, dass ich eine Absicht dahinter vermuten musste. Kein General beschrieb seine Vorgehensweise gegen den Feind mit solch unpräzisen Worten! Ich fragte ihn nach immer mehr Einzelheiten, bis er das Gespräch von sich aus abbrach.
Ramesse hatte unsere Unterhaltung beobachtet. »Demütige Urnammu nicht länger, Nefrit! Es ist hart genug für ihn, dass er nicht nur eine Schlacht, sondern den Krieg verloren hat.«
Wen wollte Ramesse schützen: Urnammu oder sich selbst?
Maatkare und ich waren uns einig, dass Ramesse und Urnammu nicht die Wahrheit sagten. Ihre Aussagen zur Entscheidungsschlacht, zu den Umständen der Gefangennahme Urnammus und zu Mesilims Flucht stimmten nicht überein. Nicht nur deshalb hatte Ramesse mir verboten, mit Urnammu zu sprechen.
Maatkare sandte unauffällig einen Boten zu seinem Vater: Er sollte entscheiden, was mit den Sumerern geschehen sollte, die unter diesen Umständen auf keinen Fall Mempi betreten durften. Wir konnten sie nicht in der Wüste lassen, durften sie aber auch nicht weiter mitnehmen, da sie sonst die Hauptstadt bedroht hätten. Seneferu reagierte schnell und gab die Anweisung, die Kriegsgefangenen im Papyrusland zu verteilen.
7
Ramesses Einzug in Mempi war triumphal. An der Spitze seiner beiden Regimenter ritt er in die Hauptstadt ein. Urnammu sonnte sich im Jubel der Einwohner von Mempi, als sei er der wirkliche Sieger des Krieges, und meine Zweifel an seiner Version der Geschichte wuchsen noch. Zum ersten Mal beobachtete ich den Triumphzug vom Erscheinungsfenster des Palastes aus.
Seneferu stand nicht einmal eine Elle von mir entfernt und begrüßte den siegreichen Feldherrn. Ramesse wurde mit dem Gold der Tapferkeit ausgezeichnet: Der König warf zwei goldene Ketten zu ihm hinunter. Als Ramesse die Auszeichnungen umgelegt hatte, winkte er mir übermütig zu.
Nachdem die Zeremonie beendet war, wandte sich Seneferu mir zu und befahl mir, ihm zu folgen. Er nahm mich bei der Hand und führte mich in seinen Arbeitsraum. Als wir allein waren, sagte er: »Das Gold der Ehre hätte dir gebührt, Nefrit, und nicht Ramesse.«
Was sollte ich antworten? Ich starrte die Fresken hinter seinem Schreibtisch an. Der König als siegreicher Feldherr in der Schlacht. Ein überlebensgroßer Herrscher auf einem von galoppierenden Pferden gezogenen Streitwagen, in der Hand die Keule, mit der er die Gegner vernichtete. Zu seinen Füßen die unterworfenen, zerschmetterten Feinde.
»Du hast dich deinem König gegenüber als sehr zuverlässig erwiesen. Du hast dich mir gegenüber loyal verhalten.« Seneferu stand direkt hinter mir, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. »Ist deine Affäre mit Ramesse beendet?«
Ich nickte still.
»Sarenput war vor einigen Tagen bei mir. Seine Ehe mit Tiya ist gescheitert.«
»Tiya liebt ihre Freiheit«, sagte ich.
»So wie du, Nefrit. Du liebst deine Freiheit mehr als alles andere.«
Ich antwortete nicht.
»Wie du drängt mich Sarenput, Rahotep nach Iunu zurückkehren zu lassen. Und er hat mich um die
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