Die Herrin der Pyramiden
Scheidung gebeten.« Seneferu wartete ab, wie ich auf diese beiden Aussagen reagieren würde. »Ist es in deinem Sinne, wenn ich der Scheidung zustimme?«
»Eure Tochter wird Euch auf Knien danken, Majestät.«
»Ich spreche nicht von Tiyas Ehe.«
Ich drehte mich überrascht zu ihm um und erhob mich.
»Sarenput bat mich um Auflösung deiner Ehe mit Rahotep. Er hat mich gebeten, einer Vermählung mit dir zuzustimmen.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Er sah mir in die Augen. »Du liebst ihn, nicht wahr?«
»Ja, ich liebe ihn.«
Seneferu wandte sich abrupt ab. War er enttäuscht?
Nach einer Weile sagte er: »Sarenput braucht eine Frau, die ihm in den kommenden Monden loyal zur Seite steht. Und es wird Zeit, dass er Nachkommen zeugt. Denn ich habe beschlossen, dass er und nicht Khufu mein Nachfolger wird.«
»Sarenput?«
»Khufu hat mich mit seinem überstürzten Aufbruch in den Sinai enttäuscht. Durch seine ungestüme Art hat er dein Leben riskiert, sein eigenes und das seiner Begleiter. Ein solch unbeherrschter Mann darf nicht Herrscher werden.«
»Sarenput hat keine militärische Ausbildung«, wandte ich ein.
»Das wird er nachholen.« Seneferu ließ mich nicht aus den Augen.
»Kennt er Eure Entscheidung, Majestät?«
»Er kennt sie.«
»Was ist mit Rahotep?«
»Nach der Scheidung wird er als Hohepriester in den Tempel von Iunu zurückkehren. Ich bin die Auseinandersetzungen mit ihm leid.«
»Was ist mit Tiya?«
»Sarenput und Tiya werden getrennt leben. Tiya legitimiert Sarenput als Thronfolger. Ich habe ihren Bedingungen zugestimmt und sie meinen. Tiya wird mit ihrem Haushalt in die Alte Residenz von Pihuni umziehen, um dort ihr eigenes Leben zu leben.«
»Und Khufu?«
»Ich werde nach seinem triumphalen Einzug nach Mempi mit ihm sprechen.«
»Er wird Eure Entscheidung nicht akzeptieren.«
»Unsere Wortgefechte werden nach diesem Gespräch ein für alle Mal beendet sein.«
Urnammu hatte seinem Rang entsprechend eine große Villa in Mempi bezogen, wo er Hof hielt. Seneferu gestand ihm zwanzig Diener zu, die allerdings keine Sumerer waren. Urnammus erster Besucher in seiner neuen Residenz war der sumerische Botschafter Tirigan. Was die beiden besprochen hatten, konnten die Spione in Urnammus unmittelbarer Umgebung nicht herausbekommen.
Eine Woche lang geschah gar nichts. Weder wurde durch Seneferu eine Anklage erhoben, noch bat Urnammu offiziell bei Kanefer um Auslieferung nach Akkad. In der zweiten Woche erhielt ich eine Einladung zum Abendessen in seine Residenz.
Die Villa war mit Möbeln aus Akkad eingerichtet, die kemetischen Diener trugen sumerische Kleidung, und Urnammu schien es nicht eilig zu haben, nach Hause zurückzukehren. Auf meine Frage, ob er kein Heimweh habe, antwortete er, dass ihm nicht nur das Klima, sondern auch das Leben in Mempi gut bekomme.
Ich vermerkte seine Antwort in einem Bericht an Kanefer, worauf der Wesir mich fragte, wie diese Bemerkung zu verstehen sei.
»Ist Urnammu ein Überläufer?«, fragte Kanefer misstrauisch.
»Er hat mich nicht um Asyl gebeten.«
»Aber er scheint sich auf einen längeren Aufenthalt in Mempi eingerichtet zu haben.«
»Er ist unser Gefangener, Kanefer.«
»Wirst du noch mehr Einladungen erhalten?«
»Ich weiß nicht. «
»Nimm sie an, Nefrit!«
Urnammus nächste Einladung zu einem Abendessen traf nur vier Tage später ein, am Vorabend von Khufus und Djedefs Rückkehr. Ich hatte Tirigan in langen Gesprächen genügend Gelegenheit gegeben, mich auf die Freilassung von Urnammu anzusprechen, aber er reagierte überhaupt nicht. Er hatte sich bereits verabschiedet, als ich mit Urnammu allein in seinem Garten saß.
»Ich bewundere dein Land, Nefrit. Vor dem Krieg habe ich mich ein paar Wochen lang in Mempi aufgehalten. Ich habe keine Sehnsucht nach Akkad«, gestand Urnammu.
»Willst du deinen Vater nicht wiedersehen?«
»Ich verstehe mich mit ihm derzeit nicht besonders gut. Er zieht meinen Bruder Manischtusu vor, weil er bereits einen Sohn hat: Naramsin. Obwohl ich sein ältester Sohn bin, ignoriert er mich, als sei ich nicht vorhanden.«
»Es fällt dir also nicht schwer, hier in Mempi zu bleiben?«
Er sah mich erstaunt an, als ob er nicht verstünde, wie ich ihm eine solche Frage stellen konnte. »Nein, natürlich nicht.«
»Mich verwundert, dass weder du noch Botschafter Tirigan einen Auslieferungsantrag an den Wesir gestellt haben.«
»Formalitäten!« Urnammu trank einen Schluck Wein. »Wenn König
Weitere Kostenlose Bücher