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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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Geschichtenerzähler-Manier, wie ich es nicht anders von ihm erwartet hatte.
    »Ein prächtiger Ritter ist er, Mylord Montagu, der beste. Wir alle waren dort, Bürger wie Ritter, und scharten uns um König Edward, der auf seinem schwarzen Ross saß. Sein liebreizendes Gesicht war bleich wie der Mond, als er auf die vermodernden Häupter seines tapferen Vaters, seines geliebten Bruders Edmund, des freundlichen Earl of Salisburys und seines fröhlichen Cousins, Sir Thomas Neville, sowie aller anderen blickte, die an die Tore genagelt, von Fliegen umschwirrt und madenbefallen waren. ›Nehmt sie herunter!‹, befahl er. ›Und sendet sie nach Pontefract, dass sie, mit ihren Leibern vereint, ein anständiges Christenbegräbnis bekommen.‹ Eine Weile schwieg er, saß still wie der Tod da und starrte auf Micklegate Bar, und wir glaubten bereits, damit wäre die Sache beendet. Dann aber blickte er sich mit funkelnden Augen um und sagte: ›Brennt diese Stadt nieder, plündert sie bis auf die kahlen Mauern, tut den Frauen Gewalt an und knüpft die Männer auf, auf dass niemand mehr lebe, der in diesen drei Monaten seit dem dreißigsten Dezember nichts unternahm, den Kopf meines Vaters herunterzunehmen!‹ Seine Stimme glich dem Zischen einer Schlange, und jeder, der bei ihm stand, ob Freund oder Feind, erblasste zitternd, sodass die Mienen weiß wie die Wolken über unseren Köpfen wirkten. Niemand wagte, den König um Gnade für die Stadt zu bitten, wollte doch keiner seinen Groll auf sich ziehen – keiner bis auf Mylord Montagu. Er trat vor, neigte sich auf ein Knie, blickte zu König Edward auf und sagte: ›Edler König, gütiger Cousin und tapferer Eroberer, ich flehe Euch an, die Unfreundlichkeit der Bürger Yorks zu vergeben. Sie besaßen weder die Kraft noch die Macht, sich der Kuh von Anjou und ihren bösen Horden zu widersetzen, und sie waren nicht beteiligt an diesen scheußlichen Taten, wurden sie doch von einer Frau ohne Ehrgefühl oder Gnade vor Gott und Menschen begangen. Dies sind gute Leute, Euer Volk, die sich ohne Fehl als Eure ergebensten Untertanen erweisen werden, wenn Ihr ihnen die Chance gebt, Euch zu dienen.‹
    Der König blickte hinab zu Lord Montagu, der gesenkten Hauptes vor ihm kniete, und wir alle zitterten um Mylord, ein jeder, der es mitansah, waren wir doch gewiss, dass der König ihn in seinem Zorn erschlagen würde. Dann sah König Edward auf, und alle Rage war aus seinen Augen gewichen, als er sagte: ›Lord Montagu, wenn Ihr dies von mir erbitten könnt, nachdem Ihr die Köpfe Eures eigenen Vaters und Bruders an den Toren dieser verfluchten Stadt verrotten saht, seid Ihr ein besserer Mann als ich, mein teurer Cousin. Eure Bitte sei Euch gewährt.‹ Und so blieb York erspart, was Ludlow erleiden musste.«
    Stille legte sich über das Zimmer. Ursula und ihre Mutter wischten sich Tränen von den Wangen. Ich konnte nicht sprechen, denn mein Herz quoll über vor Stolz.
    Weiterhin gingen viele gute Nachrichten von John ein. Er befreite Burg um Burg für York, unterwarf wilde Diebesbanden wie Halsabschneider an der Grenze und jagte Lancastrianer in die Flucht. Der jahrelange Zwist und die Gesetzlosigkeit nährten leider Aufruhr allerorten, der wiederum die Lancastrianer hoffen ließ, und so hatte John selten Gelegenheit, zu mir zurückzukehren und die süßen Dinge des Lebens zu genießen. Sein hartes Los, immerfort kämpfen zu müssen, war mir ein steter Quell des Jammers.
    Eines warmen Sommertages, Johns Geburtstag nahte, kam ein Händler auf dem Weg nach Norwich vorbei, um uns seine Waren zu zeigen. Als ich in seinen Sack sah, fiel mir etwas Glitzerndes inmitten von Stoffballen und Tand auf. Der Händler fischte es heraus.
    »Eine verschleierte Tänzerin«, sagte er und beobachtete mich aufmerksam mit seinen dunklen Augen, »aus Alexandria, in Bronze gegossen von einem griechischen Bildhauer, dreihundert Jahre vor Christi Geburt …«
    Ich malte die Linien der vollkommenen Figur und den eleganten Fall der Schleier mit den Fingern nach. Ein Unterkleid fiel in tiefen Falten um sie herum, und darüber trug sie einen schimmernden Umhang, der über ihrem Kopf gerafft war und sich über ihren Wangen spannte, sodass nur ihre Augen und der Haaransatz zu sehen waren. Der Bildhauer hatte sie inmitten einer Drehung eingefangen, und beim Betrachten war mir, als erwachte sie vor meinen Augen zum Leben.
    Ich zahlte dem Händler die exorbitante Summe, die er verlangte, obgleich sie meine Mittel für

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