Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
erstreckte sich Johns Lager als Zeltmeer in der untergehenden Sonne.
Geoffrey zog das Schreiben hervor, das ich eigenhändig verfasst hatte, und zeigte es der Wache. Unterdes zupfte ich den Umhang fester in mein Gesicht und beobachtete sie. Da ich keine unnötige Aufmerksamkeit erregen wollte, hatte ich die Sänfte verlassen und mir kurz vor Erreichen des Lagers einen Schleier übergeworfen. Ich ritt nun auf einer alten Mähre, deren Sattel ich mit einer der acht Tänzerinnen teilte. Es durfte nicht mehr als eine von uns verschleiert sein, sonst wäre den Wachen der Verdacht gekommen, dass wir verkleidete Männer waren, die sich Zutritt zum Lager erschwindelten, um es zu sabotieren. Folglich hatte Ursula eine graue Perücke aufgesetzt bekommen und war angewiesen worden, gebeugt zu gehen, damit sie nicht erkannt wurde.
Der Sergeant nahm meinen Brief, brach jedoch nicht das Siegel, sodass ich mich fragte, ob er nicht lesen konnte.
»Dies ist eine Tanztruppe«, erklärte Geoffrey. »Wie Ihr am Siegel seht, hat Lady Montagu uns hergeschickt, damit wir ihren Gemahl und sein Lager ein wenig zerstreuen. Ich selbst bin wohlbekannt unter Mylords Gefolge. Schickt jemanden, der Lord Montagu nahesteht, und er wird für mich bürgen, so wie ich für diese Zigeunerinnen bürge.«
Der Mann schritt zur Sänfte, zog den Vorhang beiseite und wühlte in den Kostümen, die darin lagen. Dann wanderte sein Blick über unsere Gruppe und verharrte bei mir, obgleich ich mitten in der Reiterschar saß. Nur konnte er wenig sehen, denn ich senkte den Kopf und zurrte den Sarazenenschleier vor mein Gesicht.
»Wieso ist die da verhüllt?«, fragte der Landsknecht.
Geoffrey lachte. »Das ist ihr Kostüm! Sie tanzt verschleiert. Aus Keuschheit gewiss nicht, versichere ich Euch, denn die ist ein keckes kleines Ding – na ja, nicht so klein, immerhin ist sie beinahe so groß wie ich. Wie dem auch sei, Ihr seht es heute Abend selbst, und ich verspreche Euch, sie wird Eure Wangen zum Glühen bringen!«
Geoffrey blickte zu mir, und ich hatte meine liebe Not, nicht laut zu lachen. Er war wahrhaftig ein Komödiant, wie mir erst jetzt aufging. Und er genoss dieses Schauspiel mit einer Ungeniertheit, die er nie wieder erleben sollte. Das zumindest sollten ihm meine hochgezogenen Brauen bedeuten.
»Das werden wir ja sehen«, sagte der Landsknecht stirnrunzelnd. »Wartet hier.«
Geduldig harrten wir unter den misstrauischen Blicken der Wachen aus. Der Zigeunerbaron hielt die Zügel des Leitpferdes sehr fest, fürchtete er doch, die Wachen würden ihre Schwerter ziehen, sollte sich das Tier regen. Schließlich kam der Landsknecht zurück. Er wurde von Conyers begleitet, der mein Schreiben mit erbrochenem Siegel in der Hand hielt. Ich krümmte mich tiefer in den Sattel, was nicht nötig gewesen wäre, denn Conyers schritt geradewegs auf Geoffrey zu und grinste breit.
»Geoffrey, du Unhold«, begrüßte er ihn und gab ihm einen Klaps auf den Rücken, der Geoffrey beinahe umgeworfen hätte, »wo hast du denn diese verwegenen Schönheiten aufgegabelt? Ich hatte schon befürchtet, dass du heute Abend für uns tanzen willst! Meiner Treu, nie hätte ich gedacht, dass das Betören des schönen Geschlechts zu deinen vielen Talenten zählt!«
»Tut mir leid, dass ich dich enttäusche, Mylord«, erwiderte Geoffrey grienend.
Auf einmal begriff ich, wie sehr mir diese beiden Männer, treue Freunde und loyale Diener, die sie waren, am Herzen lagen.
Conyers wandte sich wieder an seinen Sergeanten: »Lass sie durch und biete ihnen alles, was wir an Bequemlichkeiten haben! Wir hätten hier einige wenige, Myladys«, sagte er mit einem Lächeln zu uns allen, »wie Ihr sehen werdet. Und wir sind erfreut, dass Ihr gekommen seid. Ich wage zu behaupten, dass einige von uns noch erfreuter sein werden als andere.«
Geoffrey grinste begeistert, als er uns mit unseren Vorratskarren ins Lager führte.
Im Speisezelt drängten sich die Männer an den langen Tischen und füllten den Raum mit derben Wortwechseln und Gelächter, während sie Ale tranken und auf ihren Kommandeur warteten. Ein Blick durch den Raum verriet mir, dass John noch nicht da war. Meine Tänzerinnentruppe kleidete sich um und machte sich für den kleinen Vorführraum im Zelt bereit, ich jedoch verbarg mich hinter dem Vorhang und hielt Ausschau nach meinem Gemahl. Mein unruhiger Blick ging immer wieder zu dem Tisch mit den hochlehnigen Stühlen, wo John mit seinen Offizieren sitzen sollte.
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