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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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ihre eiskalte Hand, neigte mich hinunter und küsste die Countess auf die Stirn. Countess Alice regte sich nicht, doch ich vernahm ein Stöhnen, das aus ihrem Mund kam und sich mit jedem ihrer Atemzüge hob und senkte, leise wie eine sanfte Sommerbrise auf dem Feld.
    »Fast ein Jahr ist vergangen, seit der Earl und Thomas starben«, sagte ich und streichelte ihre Wange. »Sie hat sich nie davon erholt, nicht wahr?«
    In Nans Augen spiegelte sich die Trauer, die ich empfand. »Nein. Auch sie starb in Wakefield«, flüsterte sie und betrachtete die leblose Gestalt.
    Ich küsste Johns Mutter ein letztes Mal und lauschte dem Seufzen in ihrem Atem. »Eure Güte und Freundlichkeit werden in meinem Herzen weiterleben«, hauchte ich.
    An jenem Abend kam Warwick so unerwartet durch Middleham wie eine Sternschnuppe, die vom Himmel fiel, und blendete alle mit dem Licht seines Ruhmes. Nan lief aufgeregt umher und erfüllte ihm jeden seiner Wünsche; Wein floss, und uns wurde ein fürstliches Mahl aus Wildschwein, Pfau und Schwan aufgetischt. Sogar die Bettler am Tor erhielten reichlich, denn Warwick vertrat die Meinung, dass jeder Mann so viel Fleisch mitnehmen sollte, wie er auf einen Dolch spießen konnte, und jene, die zu arm waren, einen solchen zu besitzen, durften sich den Wanst vollschlagen, bis sie nicht mehr konnten. Solchermaßen gestärkt, zogen sie wieder hinaus in die kalte Welt, trugen ihren Lobpreis auf Warwick durchs Land und sorgten dafür, dass man selbst im fernen Böhmen von ihm hörte. Man nannte ihn »den Königsmacher«, weil er Henry entthront und Edward zum König gemacht hatte.
    Der Abend in Middleham war in jeder Hinsicht bis auf eine herrlich: John war nicht bei mir. Er war im Norden aufgehalten worden. Warwick brachte mir Grüße und eine Nachricht von ihm.
    »Er ist losgeritten, um eine Gruppe schottischer Adliger an der Grenze abzuholen und nach York zu eskortieren. Sie sollen mit Edwards Vertretern einen Friedensvertrag aushandeln. Aber er lässt dir ausrichten, dass er dich schon sehr bald besuchen will.«
    »Papa, wieso musst du wieder weg?«, fragte seine kleine Anne unter Tränen.
    »Ich muss nach London, um mit dem französischen Gesandten zu sprechen, mein Kind«, sagte Warwick, zog sie auf sein Knie und strich ihr übers Haar. »Ich plane eine Hochzeit für unseren tapferen König Edward.«
    »Ach ja?«, fragte ich. »Wen möchte König Edward heiraten?«
    »Edward? Der ist viel zu sehr mit dem Unzuchttreiben beschäftigt, um darüber nachzudenken, deshalb entscheide ich für ihn«, antwortete Warwick. »Ich habe vor, einen Vertrag mit Louis XI. zu schließen und ihn mit einer Hochzeit zwischen Edward und einer französischen Prinzessin zu besiegeln, auf dass Frankreich der Kuh von Anjou keine Hilfe mehr leistet.«
    Mich schockierte, wie Warwick über den König sprach, und ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, was König Edward zu den Heiratsplänen sagen würde. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Die Sonne mochte strahlend aufgegangen sein, doch auf einmal schien die Zukunft unsicher und überschattet.

E NGLAND UNTER DEM H AUS Y ORK
    1462–1471

19
    1463
    Hochzufrieden blickte ich mich in unserem Gutshaus in Seaton Delaval um. Zarter Schnee wehte an den Fenstern vorbei. Durch die geschlossenen Läden fiel Sonnenlicht in die große Halle, die mit Bändern, Immergrün und Beeren für die Weihnachtszeit und den Jahreswechsel geschmückt war. Auf dem Podest knackten Scheite im großen Kamin und wärmten den Raum. In einer Ecke spielten Männer mit Würfeln, in einer anderen hielten sich Damen bei den Händen und tanzten einen Reigen, und in der Mitte spielten Kinder »Hot Cockles« und kreischten vor Vergnügen. Es duftete nach gewürztem Wein und Ingwerkuchen, die von Dienern auf großen Tabletts hereingebracht wurden. Wie vieles gibt es, für das wir dankbar sein können!, dachte ich. So viel Gutes war uns in den annähernd zwei Jahren seit König Edwards Sieg bei Towton widerfahren.
    Nur eine Sache gab es, die ich ändern würde, wenn ich könnte. Unsere Familie war um eine weitere Tochter angewachsen, Margaret, sodass wir nun vier Mädchen hatten; und obgleich ich sie alle inniglich liebte, schmerzte mich, dass ich John noch keinen Sohn hatte schenken können. Meine Hand hatte gezittert, als ich die Feder ergriffen hatte, um ihm von der Geburt unseres Mädchens zu schreiben, denn ich wusste, dass er enttäuscht sein würde. Ein Mann brauchte Söhne, die ihm halfen, seine

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