Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
viele umdenken lassen, würde ich meinen.«
»Ja, haben sie«, murmelte John nachdenklich, blickte in seinen Wein und stürzte ihn dann in einem Zug herunter. Trauer überkam mich, wusste ich doch, dass er an seinen Vater und an Thomas dachte.
»Ja. ›Es ist ein harter Weg, der zu wahrer Größe führt‹«, zitierte mein Onkel den Dichter Seneca.
»Ein Weg, der uns von Marguerite aufgezwungen wurde«, entgegnete John.
»›Und bracht’ als Mitgift Ilion den Untergang‹, sagte Aischylos einst über Helena von Troja, und in unseren Tagen bewahrheitet es sich aufs Neue. Ach, die Geschichte hat ihre eigene Art, sich stets zu wiederholen, nicht wahr?«
John stimmte ihm höflich zu und sprach ein anderes Thema an. »Was die Gefangenen betrifft, Mylord Worcester, darf ich vorschlagen, dass wir bei König Edward um Gnade für sie ersuchen?«
»Nein, statuiert ein Exempel an ihnen!«, erwiderte mein Onkel. »Den Tod sollen sie erleiden, und einen langsamen obendrein!« Er wollte eben ein Stück Wild mit seinem Dolch aufspießen, besann sich jedoch anders und fuchtelte stattdessen mit der Klinge herum. »Pfählen wäre das Richtige! Ich beobachtete diese Form der Hinrichtung in Transsylvanien. Sie ist langsam und qualvoll und erwies sich bei den Türken als äußerst wirksam. So konnte Vlad Dracul seine Herrschaft im unruhigen Transsylvanien sichern. Die Opfer werden entweder durch den Anus gepfählt oder, im Falle von Frauen, durch ihr Geschlecht. Seine Leute leben in solcher Furcht, dass niemand es wagt, die Gesetze seines Landes zu brechen. Er ließ einen goldenen Kelch unbewacht auf dem Marktplatz von Targoviste aufstellen, und keiner rührte ihn an, nicht einmal bei Nacht. Man sagt, er habe Frauen dazu gebracht, das Fleisch ihrer eigenen Säuglinge zu essen, indem er ihnen mit Pfählung drohte.«
Ein Knappe servierte meinem Onkel Spießbraten vom Wildschwein, und er nickte und aß mit großem Appetit davon. Ein anderer Diener häufte ihm gekochten Kohl auf den Teller und wollte mir ebenfalls servieren. Doch mir wurde übel, und ich winkte ab. Ich konnte nicht glauben, was ich hörte. John erging es offenbar ähnlich, denn er war ganz blass geworden.
»Sie sind keine Sarazenen«, sagte er mit belegter Stimme, »sondern unsere eigenen Leute, von denen manche gegen ihren Willen genötigt wurden, für Lancaster zu kämpfen.« Zwar bemühte er sich hörbar, höflich zu bleiben, aber er klang wütend. Seine Züge hatten sich beim Zuhören verhärtet, und ein Muskel an seiner Wange zuckte.
»Dennoch dient ihr Leiden als ein Exempel wider die Sache der Lancastrianer«, entgegnete mein Onkel. »Wollt Ihr Frieden? Wollt Ihr, dass wieder Recht und Ordnung herrschen? Angst ist die wirksamste aller Waffen! Vlad Dracul ließ seine Gemahlin ausweiden, weil sie ihn anlog, sie wäre guter Hoffnung mit seinem Kind. Nun traut sich in Transsylvanien niemand mehr, zu lügen oder zu betrügen, aus Furcht, Vlad Dracul könnte es entdecken.«
Ich stellte meinen Kelch ab, denn mir war speiübel.
»England ist nicht Transsylvanien, und Ihr selbst wart einst Lancastrianer«, erinnerte John ihn.
»Meine Situation war eine gänzlich andere. Ich habe nie für Lancaster gekämpft. Ich verdankte meinen Earl-Titel Henry, war jedoch durch Geburt dem Duke of York verbunden und durch Ehe und Freundschaft Eurer Familie. Wie konnte ich mich für eine Seite entscheiden? Deshalb verließ ich das Land.«
»Diese Männer waren verpflichtet, für ihre Lords zu kämpfen, egal, welche Seite die wählten oder ob sie ihnen zustimmten oder nicht. Und sie waren zu arm, um England zu verlassen«, sagte John.
»Das ist nicht Eure oder meine Sorge, John«, erwiderte mein Onkel und seufzte. »Sie kämpften für Lancaster! Was jetzt zählt, ist unsere Pflicht dem König gegenüber, und diese Pflicht verlangt, dass wir ihn mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln stützen, Furcht eingeschlossen. Und verschont keinen wegen seines Ranges! Das einzige Zugeständnis, das Dracul dem Rang machte, war, dass er Adlige auf längere Spieße pfählte, und was er mit den Türken machte …«
Mehr konnte ich nicht aushalten und sprang auf. »Bitte, mein Onkel, ein andermal, vielleicht? Ich fürchte, ich bin solchen Reden nicht gewachsen.« Ich rang mir ein Lachen ab und legte eine Hand auf meinen Bauch, um meine Unhöflichkeit zu entschuldigen.
John sah mich erschrocken an.
»Beim Kreuze, du bist guter Hoffnung!«, rief mein Onkel aus, schob den Stuhl zurück
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