Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
wir das Haupthaus und stiegen die knarrende Treppe hinauf zu den Wohnräumen. Ich bemerkte zahlreiche Eimer, die Wasser auffangen sollten, das durch das schadhafte Dach eindrang, aber die große Halle war mit Holz ausgekleidet und hatte eine hübsche Musikantengalerie, und die wundervolle alte Kapelle mit dem hohen Turm, den ich schon von Weitem gesehen hatte, strahlte Wärme aus. In Vorbereitung unserer Ankunft herrschte reges Treiben in der großen Halle. Die Tische waren mit frischem Leinen und Zinnbechern gedeckt, und Diener brachten Salznäpfe und Löffel, die sie verteilten.
Zum Schluss der Führung bekam ich unser Schlafzimmer zu sehen. Zu meinem Entzücken hatte man von dort einen herrlichen Ausblick auf die Gärten und Felder, und es gab einen Abort mit Wandleuchten zu beiden Seiten des spitz zulaufenden Fensters. Ich zog die Reisekleidung aus, machte mich frisch und begab mich anschließend zum Mittagessen hinunter in die Halle. Die meisten der Bediensteten hatten sich dort bereits eingefunden und erwarteten mich. Ich lud sie ein, sich zu setzen, und auf mein Nicken hin bekamen sie Wasser gereicht, mit dem sie sich vor dem Dankgebet die Hände wuschen.
In den nächsten zwei Monaten stürzte ich mich mit ganzer Kraft auf die Renovierung des Hauses und kontrollierte die Ausgaben, damit wir zusätzliche Reparaturen bezahlen konnten. Mit dem Vogt ging ich die Haushaltsbücher durch, machte Vorschläge, wie sich Ausgaben für Kleidung, Wachs, Wein, Gewürze und Almosen verringern ließen, wie man weniger Geld für den Kauf von Vieh und Vorräten brauchte und wie man an den Priestern sparte, die man zum Lesen der Messe oder für Gebete bestellte, ebenso wie an den Knappen, die man anheuerte, um Fenster und Böden zu putzen und die Feuer, Kerzen und Binsenlichter am Brennen zu halten; sogar an der Zahl der Kinderbetreuer ließ sich sparen. Das Geld, das wir auf diese Weise gewannen, reichte nicht bloß für zusätzliche Reparaturen, sondern sogar für Einrichtungsgegenstände wie Wandbehänge. Und zur Weihnachtszeit zahlten sich meine Bemühungen aus, denn nun wirkte das Gutshaus einladend und gemütlich.
Die Entscheidung, nach Seaton Delaval zu ziehen, war richtig gewesen. John nutzte jede Gelegenheit, nach Hause zu kommen, und auch wenn seine Besuche gewöhnlich kurz waren, erfüllten sie das Haus wie mein Herz mit großer Freude.
Während wir uns bereit machten, das neue Jahr 1463 zu empfangen, erwiesen sich die Belagerungen von Alnwick und Dunstanburgh als so erfolgreich, dass Somerset beide am Weihnachtstag John übergab. Nun war nur noch Bamburgh in Lancastrianer-Hand.
Am Dreikönigstag traf John mit einem ganz besonderen Gast in Seaton Delaval ein. »Sieh mal, wen ich dir mitgebracht habe«, sagte er mit einem schelmischen Funkeln in den Augen.
»Onkel!«, rief ich und warf mich sehr wenig damenhaft in seine Arme. »Ach, Onkel, es ist so schön, Euch zu sehen!« Ich hakte ihn unter und wollte ihn herumführen, als ich eine vertraute Stimme hinter mir hörte. Verwundert drehte ich mich um und erblickte Somerset, der mithilfe eines Landsknechts von seinem Hengst stieg. Die Hände hatte er vorn zusammengebunden. Er stand da und blickte mich an, und für einen Moment war ich sprachlos. Erst jetzt begriff ich, dass Somerset mit der Übergabe der Burgen auch sich selbst ausgeliefert hatte.
»Mylady Montagu, ich grüße Euch herzlich«, sagte er höflich.
»Mylord Somerset …« Mir fehlten die Worte. Ich neigte den Kopf und spürte, dass John mich seltsam ansah. Dann nickte er dem Landsknecht zu, der Somerset abführte. Ihm folgte ein Strom weiterer Gefangener.
»Was geschieht mit ihnen?«, fragte ich.
»Sie sind Verräter«, antwortete mein Onkel. »Was denkst du wohl, das mit ihnen geschieht, gutes Kind? Nun lass uns essen!« Er rieb seine Hände. »Ich bin fürwahr bereit für ein Abendessen.«
Beim Essen erzählte mein Onkel von seinen wunderbaren Abenteuern in Jerusalem, Padua, Florenz, Rom und Rhodos. Wir tranken gewürzten Wein und Hypocras und ließen uns genüsslich ein Dutzend Gänge schmecken. Doch währenddessen dachte ich immerfort an Somerset.
»Also herrscht York nun endlich über Lancaster«, resümierte mein Onkel, der seinen Kelch schwenkte. »›Welcher Glanz ist dem vergleichbar, die Hand siegreich über jene zu erheben, die wir hassen?‹ Euripides, ihr wisst schon … Eine Zeit lang wagte ich kaum mehr, darauf zu hoffen. Die Umstände, unter denen der Duke of York starb, haben
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