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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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volle Aufmerksamkeit schenkten. Sie lächelten, gaben jedoch durch nichts zu verstehen, dass sie wussten, wer hier tanzte. Habe ich mich zu gut kostümiert?, fragte ich mich. Mein Herz rief John zu: Ich bin es, mein Liebster, sieh mich an, begehre mich!
    Die Rufe und Pfiffe der Soldaten wie auch die gebannte Aufmerksamkeit Clintons und Conyers fielen John endlich auf. Er rückte den Stuhl wieder an den Tisch und sah zu mir, wenn auch immer noch halb in Gedanken. Dies war meine Chance. Drehend tanzte ich zu seinem Tisch, reckte mich auf die Zehenspitzen und schwang ein Bein kühn über die Tischfläche, ehe ich mich wieder zurückzog. Die Musikanten stimmten die Melodie unseres ersten Tanzes auf Lord Cromwells Burg an, und ich ließ meinen oberen Schleier zu Boden fallen. Die Tänzerinnen wichen zur Seite. Nun verhüllte mich nur noch ein hauchdünnes Stoffgespinst, wie es die Sarazeninnen in Harems trugen, wenn sie für ihren Herrn und Meister tanzten. Während mir einige der Tänzerinnen mit den Straußenfedern zufächelten und andere im Takt klatschten, bewegte ich mich sinnlich vor John und ließ für einen winzigen Moment den Schleier von meinen Wangen rutschten. Dann, als er seinen Weinkelch an die Lippen hob, zeigte ich ein Bein, nackt bis zu dem Muttermal an meinem Schenkel.
    John erstarrte, lehnte sich staunend vor und ließ den Blick von meinem Bein über meinen Bauch, meinen Busen zu meinem Gesicht hinaufwandern. Unsere Blicke begegneten sich. Er stellte den Kelch ab und sah mich an. Dann bog sich sein schöner Mund sehr langsam zu einem Lächeln, bei dem sich die wunderbaren Grübchen auf seinen Wangen zeigten.
    Ich lächelte ebenfalls und zwinkerte ihm zu.
    Freudetrunken kehrte ich nach Burrough Green zurück. Meine Mission war erfolgreich gewesen, und beim Abschied hatte John mir versichert, dass er meinen Zigeunertanz nicht so bald vergessen würde. »Die Erinnerung wird mich an manchem kalten Winterabend warm halten«, versprach er mir beim Abschiedskuss. Als hätte uns die Wiedervereinigung Glück gebracht, erreichten uns bald mehr gute Nachrichten von John.
    Er hatte die Belagerung Carlisles beendet und sechstausend Schotten niedergeschlagen. Sein Triumph bedeutete, dass König Edward nicht mehr nach Norden eilen und seine Krönung aufschieben musste. Sie wurde auf den achtundzwanzigsten Juni festgesetzt, vier Tage nach Johns Geburtstag und dem Johannistag. John kam nach Hause, um seinen Namenstag zu feiern, und am nächsten Morgen brachen wir nach London auf, wo wir Edwards Krönung miterleben wollten.
    Auf dem Weg zeigten sich die Leute allerorten ängstlich wegen der Datumswahl. »Sonntag?«, raunten sie. »Aber heuer bringen Sonntage Unglück!« Dann bekreuzigten sie sich zum Schutz vor dem Teufel. Genauso hatte ich es gehalten, als John mir das Datum genannt hatte, und auch er war besorgt gewesen. Der Wochentag nämlich, an dem sich der Bethlehemitische Kindermord jährte, galt für das ganze Jahr als Unglückstag. Und in diesem Jahr fiel er auf einen Sonntag. König Edward hingegen gab nichts auf Aberglauben. Ihm war das Datum recht, also hatte er es für seine Krönung zu Englands Yorkisten-König gewählt.
    Bei unserer Ankunft herrschte in ganz London Jubelstimmung. Die Menschen schwenkten weiße Rosen, die karrenweise an den Straßenecken und von Händlerinnen verkauft wurden. »Frische weiße Rosen!«, riefen sie und griffen immer wieder in ihre Schürzen, die prallvoll mit den Blumen waren. »Kauft eine schöne weiße Rose für unseren schönen Weiße-Rose-König!« Im Westminster-Palast, wo wir König Edward und Johns Bruder George, den jetzigen Kanzler, begrüßten, herrschte ein einziges Kommen und Gehen, unzählige Bedienstete wuselten umher. Köche und Küchenhilfen bereiteten alle erdenklichen Köstlichkeiten vor, Zimmerleute hämmerten und sägten eifrig, nahmen notwendige Reparaturen am Palast und dem königlichen Kahn vor und bauten Tische und Stühle. Käfige mit Schwänen und Pfauen wurden gebracht, Säcke voll mit Obst, Gemüse, Zucker und Gewürzen wurden auf Karren, Pferden und Eseln angeliefert. Auf den Korridoren wimmelte es von Höflingen und Adligen sowie deren Entourage und Damen, und wir mussten uns durch die Menge drängeln. Auf dem Weg zum königlichen Gemach entfuhr mir eine Freudenschrei, als ich eine liebe, vertraute Gestalt entdeckte.
    »Maude!«
    Sie war mit ihrem Onkel, Lord Cromwell, gekommen. Wir umarmten einander freudig.
    »Wie geht es dir, Maude?«, fragte

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