Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Almosen, aber nichts von alldem erreichte mich. Als die zinnengekrönten Stadtmauern Londons in der Ferne zu sehen waren, krampften meine Beine so schmerzlich, dass ich mich nur mit größter Mühe auf meinem Zelter halten konnte. Mir schwirrte der Kopf, und obwohl mein Magen leer war, mussten wir noch vor Bishopsgate zweimal pausieren, damit ich mich übergeben konnte.
Die Ankunft in der Stadt half wenig. Bei dem Gewimmel und Gestank von London rebellierte mein Magen aufs Neue. Wir ritten an Metzgereien vorbei, wo Fliegenschwärme über Fleisch herfielen, das zum Trocknen aushing, schmale Gassen entlang, in denen die stickige Luft aus den oberen Stockwerken der Handwerkshäuser Sonne und Himmel verdüsterte. In diesen schmutzigen, drängeligen Straßen wühlten Schweine in Unrathaufen, deren Ausdünstungen weitaus schlimmer waren als die Misthaufen auf dem Lande.
Und die ganze Zeit, während ich ritt und mich bemühte, aufrecht im Sattel zu bleiben, blieb die Welt um mich herum unheimlich still. Händler und Käufer stritten, Karrenräder wirbelten Staub auf, Schmiede hämmerten in ihren Werkstätten, dass Funken und glühende Eisenspäne flogen, aber alles geschah seltsam lautlos. Endlich kamen wir in Westminster an, wo das Gewimmel auf dem Schlosshof so stumm war, als handelte es sich um ein Gemälde. Grimmig dreinblickende Gefolgsmänner schritten zielstrebig über den Hof, die Hände fest am Schwertheft; Boten galoppierten herbei, brachten Nachricht aus den fernsten Winkeln des Königreichs und eilten im Galopp mit Aufträgen von der Krone wieder fort. Alles ging in einem geräuschlosen Nebel vor sich.
Ich wandte mich zur Nonne und sah, dass sie mit der Wache am Eingang des Burghofs redete. Der Wachmann nickte und wies zu einem der Türme nahe am Fluss. In meinem Kopf drehte sich die Szene, wurde finster, und das Letzte, woran ich mich erinnerte, als mir der Boden entgegenrauschte, waren die erschrockenen Blicke der beiden.
Ein leiser Seufzer entfuhr mir.
»Kann ich etwas für Euch tun, Mylady?«, fragte das Mädchen.
Ich schüttelte den Kopf, murmelte ein Dankeschön und schloss die Augen. Anscheinend war ich eingeschlafen, denn als ich sie wieder öffnete, war es dunkel. Ich setzte mich auf. Im Licht der einzelnen Kerze auf dem Nachtschrank erkannte ich das Mädchen, das schlummernd an der Wand saß. Sowie ich mich bewegte, schrak Margery hoch.
»M’lady, Ihr seid wach!« Sie kam zu mir, kniete sich neben das Bett und wrang das Tuch aus der Waschschüssel aus, mit dem sie mir das Gesicht abwischte. »Ihr seht schon viel wohler aus, M’lady. Darf ich Euch etwas zu essen holen, etwas Brot oder Brühe?«
Ich lehnte dankend ab, denn mein Magen war noch durcheinander.
»Es kam ein Geschenk für Euch, während Ihr schlieft«, sagte sie und ging zur Truhe in der Zimmerecke, wo sie etwas aufhob und mir brachte. »Es waren noch andere um Euch besorgt und schickten Euch diese.«
Mit einem Aufschrei wich ich zurück, denn der Anblick entsetzte mich. Eine rote Rose!
Das Mädchen war verwundert. »Es ist doch nur eine Rose, M’lady. Sie lag draußen vor der Tür, zusammen mit dem hier.« Sie zog einen Brief aus ihrem Mieder und gab ihn mir. Er war unversiegelt. Als ich das Blatt auffaltete, fand ich einen Vers, sorgfältig in schwarzer Tinte geschrieben. Ich neigte den Kopf, las, und mit jeder Zeile wuchs Hoffnung in meinem Busen.
Nehmt diese Rose, o Rose,
die der Liebe Blume ist.
Doch größer als die Schönheit der Rose
noch jene Liebe misst,
die mich gebannt mit ihrer Macht
seit Tattershall Castle bei lauer Nacht.
Freude explodierte in meiner Brust, und ich fühlte das Strahlen meines Lächelns. Hastig suchte ich nach einem Namen, einer Signatur, aber da war keine. »Hast du gesehen, wer sie brachte?«, rief ich.
»Ich sah ihn nur von hinten, als er wieder ging. Er ist jung und von angenehmer Statur.« Das Mädchen lächelte mich an, und ich erwiderte das Lächeln, während mir das Herz überging. Sir John Neville …
Die Rose war exquisit, eine vollkommene Blüte. Der Traum war ein gutes Omen, kein schlechtes, dachte ich bei mir. Ich neigte die Nasenspitze in die weichen Blütenblätter, sank zurück auf das Kissen und atmete den lieblichen Duft der Blume ein, und plötzlich war mir nicht mehr übel. Eingehüllt von dem Duft, summte ich die Tanzmelodie vor mich hin. Wie ein Wiegenlied lullte sie mich in den Schlummer.
Befeuert von dem Wissen, dass der Besucher Sir John gewesen sein musste,
Weitere Kostenlose Bücher