Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
hohen Steuern, die Ungerechtigkeit der Gerichte und die habgierigen Woodvilles, deren Gier und Unverfrorenheit ehrliche Leute erzürnten, hieß es. Kaum hatte John diesen Aufruhr niedergeschlagen, kam es in East Riding zum nächsten, angeführt von einem Robin of Holderness, der eine Wiedereinsetzung Henry Percys als Earl of Northumberland forderte. An den Toren Yorks traf John auf die Unruhestifter, erstickte den Aufruhr prompt und exekutierte den Anführer.
»Ich habe meinen Earls-Titel verdient, Isobel, und ich war ihnen ein guter Lord«, sagte John. »Warum schreien sie nach Percy? Was haben die Percys jemals für sie getan?«
Von meinem Fenstersitz in unserem privaten Sonnenzimmer auf Warwick Castle aus betrachtete ich meinen Gemahl. In der pelzgesäumten smaragdgrünen Samttunika, deren Farbe ich so sehr liebte, saß er am Eichentisch, seinen treuen, inzwischen sehr betagten Hund zu seinen Füßen, und schrieb einen Brief an den König, den er nicht seinem Schreiber diktieren wollte, weil der Inhalt zu persönlich war. Mich schmerzte es, John so zu sehen. Ich wusste, dass ihm die Hinrichtungen zusetzten und er sich fragte, ob sie gerechtfertigt waren.
Ja, er verdiente diese Undankbarkeit nicht. Obwohl er nicht über die Mittel seines Bruders Warwick verfügte, wies seine Küche niemals einen Hungrigen ab; seine Tür war den Bedürftigen nie verschlossen. In Wahrheit hatte John viele gute Taten vollbracht. Welcher Percy hatte je Feuerholz in die Gefängnisse oder Wein an die Gefangenen geschickt? Welcher Lord hatte daran gedacht, diesen Auftrag im Sommer zu erteilen, damit die Männer die schweren Ladungen nicht durch die bittere Kälte schleppen mussten? Solche Freundlichkeit war rar, doch John sorgte für jeden: für seine Soldaten, seine Diener, seine Familie. Und für seinen König.
Ich streckte die Hand aus, und er kam zu mir. Gütiger Gott, wie viel hat sich verändert!, dachte ich, als ich zu ihm aufblickte. Seine Entscheidung, den König gegen dessen Brüder zu unterstützen, forderte einen beängstigenden Preis. John schlief nachts nicht mehr, fand nicht länger Gefallen an Vergnügungen. Wie sehr unterschied sich dieses sorgenvolle Gesicht von jenem, in das ich mich beim Tanz auf Tattershall Castle verliebt hatte! Sein braunes Haar war an den Schläfen ergraut, und tiefe Falten hatten sich in seine Stirn gegraben. Seine vollen Lippen waren deutlich schmaler, die Mundwinkel nach unten gebogen, und eine frische Narbe teilte seine linke Augenbraue. Ich entsann mich des hoffnungsfrohen, unerschrockenen jungen Mannes, der er einst gewesen war, und mein Herz krampfte sich vor Angst zusammen.
»Mach dir keine Vorwürfe, mein liebster Lord! Robin of Holderness hatte kein Recht, nach einem Percy zu rufen … Und Robin of Redesdale, ist er ebenfalls gegen dich?«
John wandte sich ab. Mit einer Geste bedeutete er den Dienern zu gehen. Der Minnesänger in der Ecke brachte die Harfe zum Verstummen und erhob sich von seinem Schemel. Meine Magd Agnes, die leise ihrer Arbeit nachgegangen war, Truhen ausgepackt und Kleider aufgehängt hatte, stellte eine Handschale mit parfümiertem Wasser auf einen Nachttisch und zog sich zurück.
Johns Augen nahmen einen gequälten Ausdruck an, als er wieder zu mir sah. »Ich fürchte, Robin von Redesdale ist niemand anders als unser Cousin John Conyers, Isobel.«
Erschrocken stand ich auf. »Oh, John, mein lieber Lord …« Also hatte der Albtraum bereits begonnen. So bald! Ich umfing Johns starke, schöne Hand mit meiner und drückte tränenreiche Küsse auf die langen Finger.
John nahm mich in die Arme.
»Liebste Isobel, welch ein Trost du mir bist … Welch Trost du immer warst!«, sagte er leise. »Ich erinnere mich an den Tag, als du mich vor Percys Hinterhalt auf der St Albans Road warntest. Du kamst damals als Nonne verkleidet … Und später, bevor Edward mich zum Earl machte, als ich an der Grenze gegen Schotten und Lancastrianer kämpfte, umgeben von Tod und Leid, erschienst du in der Verkleidung einer Tänzerin in meinem Lager. Ich erkannte dich nicht und achtete anfangs gar nicht weiter auf dich, bis ich bemerkte, dass meine Männer wieder lachen konnten. Das linderte meine finsteren Gedanken, Isobel … Und dann wurde mir klar, wer du warst; ich wollte meinen Augen nicht trauen, als du mir zuzwinkertest. Du ahnst nicht, wie sehr du mir mit deiner Courage und deiner Lebensfreude das Herz leicht machst. Ach, Isobel, wie sehr habe ich dich in diesen zwölf Jahren
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