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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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festhalten. Den Schmerz, den ich in seinem Gesicht erkannte, empfand ich mit ihm, und Tränen stiegen mir in die Augen. John sprach so leise, dass ich kein Wort hörte. Mir brach das Herz, und ich sehnte mich danach, ihn in die Arme zu schließen und seinen Kummer zu lindern. Unwillkürlich musste ich gefährlich nahe an das Fenster gegangen sein, denn Nan ermahnte mich mit einem sanften Stupsen, mich nicht sehen zu lassen.
    Wieder sprach John, doch ich verstand nicht, was er sagte.
    Warwick erwiderte: »Ich nicht … Edwards eigener Bruder Clarence, der …«
    Nan nickte, wandte sich zu mir und hielt sich eine imaginäre Krone über den Kopf.
    Warwick hat vor, Clarence zum König zu machen!, erkannte ich. Denn Clarence, Edwards ehrgeiziger Bruder, behauptete seit Langem, dass er der wahre König Englands wäre und Edward nur ein Kegel von einem Bogenschützen. Es war eine lächerliche Geschichte, die fraglos nur in Clarence’ seichtem, umwölktem Verstand einen Sinn ergab. Die Männer bewegten sich weg vom Fenster, und nun hörten wir nichts als Gemurmel.
    Dann trat Erzbischof George ans Fenster. »Ja«, sagte er, »Dick hat recht. Die Woodvilles nagen wie Ratten am Staatsschiff! Sie werden unser Untergang sein, wenn wir sie nicht zuerst zerstören.«
    Er verschwand, und John war wieder zu sehen. Diesmal hörte ich ihn klar und deutlich. »Du hast leicht reden! Du besitzt gar keine eigenen Überzeugungen, George, einzig Ambitionen!« Stille folgte, dann: »Doch ich lasse das nicht zu.«
    Ich begann zu zittern.
    Warwick starrte John an. »Aber du bist ein Neville«, sagte er.
    »Und ich habe mich stets deinem Willen gefügt, Dick«, entgegnete John. Seine Mundwinkel zuckten, so sehr rang er mit seinen Gefühlen. »Bis auf dieses eine Mal. Ich kann es nicht, und ich will es nicht. Ich stehe in der Pflicht des Königs.«
    »Was ist mit deiner Pflicht gegenüber der Familie?«, donnerte Warwick.
    Der Erzbischof blockierte das Fenster mit seinem Rücken. »Du darfst dich nicht gegen uns stellen, John«, sagte er deutlich vernehmbar. »Du würdest gegen dein eigen Fleisch und Blut kämpfen.«
    John murmelte etwas, was ich nicht hörte und auch nicht hören musste, denn ich begriff, was hier geschah: Warwick wollte eine Rebellion gegen Edward anfachen, und John weigerte sich, dabei mitzumachen. Ich bekam kaum noch Luft. Die Kammer fühlte sich so warm an, zu warm …
    Ich legte eine Hand auf mein Herz, das wild pochte, wie in letzter Zeit sehr oft. Als John seine Panzerhandschuhe vom Tisch nahm, schnürte sich mir die Brust zusammen, und meine Knie gaben nach. Ich sank an der Wand herab, bis ich auf dem Fußboden saß, und neigte meinen Kopf in den Schoß.

23
    1469
    An dem Tag, an dem John mit seinen Brüdern brach, gab es ein heftiges Gewitter. Während der Sommer des Jahres 1468 in den Winter überging, wurden die Woodvilles noch verhasster, und die Spannungen zwischen dem König und Warwick eskalierten. In diesem Streit schlug sich der Bruder des Königs, George of Clarence, angetrieben von seiner Gier nach der Krone, auf Warwicks Seite. Der Hass war im gesamten Königreich zu spüren. In Kent wurde Earl Rivers’ Anwesen geplündert, und Gerüchte von einer Rebellion drangen bis zum König. Mit der Lage in England verschlimmerte sich auch die in Irland. Dort erwies sich mein Onkel als Desaster für König Edward. Seine harschen Maßnahmen hatten keineswegs zur Folge, dass sich das Land beruhigte; vielmehr stand das Volk kurz vor einem Aufstand. Erst als mein Onkel, der verachtete »Saxon Earl«, zurückberufen und Earl of Desmonds guter Freund, der Earl of Kildare, zum stellvertretenden Gouverneur ernannt wurde, kehrte wieder Frieden ein.
    Leider bot sich in England keine so einfache Lösung. Die Woodvilles konnten nicht zum Verschwinden gebracht werden, und ihre rachsüchtigen Taten erschütterten das Königreich weiterhin. Bald brachen Rebellionen im Norden aus.
    Das neue Jahr 1469 begann mit vielen finsteren Omen, die eine Katastrophe erahnen ließen. Ein Blutregen ging über den Wiesen in Bedfordshire nieder; andernorts wurden angeblich ein Reiter und Bewaffnete gesehen, die durch die Luft rauschten. In der Grafschaft Huntingdon fühlte eine Frau kurz vor der Niederkunft, wie das Ungeborene in ihrem Schoß weinte und schluchzte. Und im Frühjahr hörte England von ersten Schwierigkeiten, einem Aufstand in Yorkshire, der von einem gewissen Robin of Redesdale angeführt wurde. Seine Leute erhoben sich gegen die

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