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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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Lord Cromwells Burg vor mir sehe?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Dann bist du der Einzige, denn dies ist das raue Northumberland, nicht das liebliche Lincolnshire.«
    »Stimmt, aber ich kann sie beinah sehen … genau dort … Die untergehende Sonne verleiht den westlichen Zinnen einen rosigen Schein, als ich mit meiner kleinen Gruppe über die Zugbrücke in den Burghof reite … Ich bin müde von der langen, staubigen Reise von Raby und habe meine Zügel einem der Stallburschen zugeworfen. Das Spiel einer Leier und lieblicher Gesang klingen zu mir herunter. Ich frage mich, warum mein Bruder Thomas, der früher auf Tattershall Castle eingetroffen ist als ich, nicht gleich herauskommt, um uns zu begrüßen, haben wir doch genug Lärm gemacht … Und in dem Augenblick höre ich ein Lachen hell wie Silberglocken … ein Klang, der aus dem Himmel zu fallen scheint wie das Schlagen von Engelsflügeln, und ich blicke nach oben.« Er sah auf.
    »Was geschieht als Nächstes?«, flüsterte ich und tippte an sein Kinn, damit er mich wieder ansah.
    »Ich erblicke ein Gesicht, umrahmt vom violetten Himmel. Es schaut aus einem hohen Fenster zu mir herunter. Es ist das Antlitz eines Engels, heiter, wunderschön, weiß wie Lilien und von Haaren dunkel wie Kastanien umkränzt … ein strahlendes Lächeln und Augen wie Juwelen …«
    Seine Beschreibung rührte mich zu Tränen. Dass er sich nach all diesen Jahren so genau daran erinnerte, wie er mich zum ersten Mal sah! Sein Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an, als stünde er in Gedanken wieder in jenem Burghof, blickte zum Fenster auf und entdeckte mich.
    »Ich konnte den Blick nicht abwenden«, sagte er und kehrte in die Gegenwart zurück. »Deine leuchtenden Topaz-Augen bannten mich. Ich hörte weder das Rasseln von Eisen noch die Rufe der Männer oder das Wiehern der Pferde, als Thomas mit Cromwell und einigen Landsknechten in die Burg geritten kam. Ich hörte nur dieses silberhelle Lachen, das Lachen eines Engels, süß wie Kapellenglocken über den Tälern.«
    Ich wartete, dass er fortfuhr, denn ich wollte jeden Moment des wundervollen Abends nacherleben. Doch John sagte: »Und Thomas rief mich mit seiner munteren Stimme: ›John!‹ Er sprang vom Pferd und lief auf mich zu. Sein dunkles Haar war zerzaust, sein Gesicht schmutzverschmiert, doch seine Augen leuchteten vor Freude, mich zu sehen. Ich weiß noch, wie er mich an seine Brust drückte und sagte: ›Mein schöner Bruder, was für eine Erleichterung, dass du wohlauf bist! Du kommst so spät, dass wir ausritten, um nach dir zu suchen. Bei diesen verdammten Percys weiß man nie …‹«
    Johns Stimme war zu einem Flüstern geworden, und ich begriff, dass ich seine Erinnerungen unterbrechen musste, bevor er zu den schrecklichsten von allen kam. Also rang ich mir ein Lachen ab.
    »Die ganzen Jahre hast du mich einen Engel genannt«, erwiderte ich, »und jedes Mal sagte ich dir, Engel haben kein dunkelbraunes Haar. Sie haben güldene Locken, was dir jeder Maler und Fensterglaser bestätigen wird.«
    Er grinste. »Meine Engel haben kastanienbraunes Haar.«
    Ich nahm seine Hand und hielt sie an meine Wange. »Ich liebe dich, John, und habe dich vom ersten Moment an geliebt.«
    John wiegte mich in seinen Armen. »Jener gesegnete Zwielichtabend auf Lord Cromwells Burg …«
    Ich sah ihn an. »Nein, es war nicht Lord Cromwells Burg, wo ich dich zum ersten Mal sah. Es war, als ich vierzehn war und mit meinen Freundinnen am Fluss Ure entlangfuhr. Wir überraschten dich, als du aus dem Wasser stiegst.«
    John wurde rot. »Du meinst, du gehörtest zu jener Gruppe kichernder Mädchen auf dem Wagen, die mich gesehen hat …?«
    Ich lachte. »Ja, nackt wie Adam standest du am Ufer! Thomas besaß die Geistesgegenwart, sich zu bedecken, aber du wurdest tiefrot und hieltest die Hände vor die falschen Teile.«
    »Mein Gesicht.«
    »Deshalb lachten wir alle, mein süßer Lord.«
    John schmunzelte und neigte den Kopf zu mir. »Meine Liebste, das hast du mir nie erzählt.«

24
    1469
    Unser Unglück dauerte an, und Megs Heirat zog weiteres Ungemach nach sich. Unsicher, wem er noch trauen konnte, wandte sich König Edward zunehmend an die Verwandten seiner Königin. Mein Onkel, der in Irland um ein Haar eine Katastrophe heraufbeschworen hätte und in England wegen seiner Grausamkeit verhasst war, wurde durch Elizabeths Vater, den Earl of Rivers, als Constable abgelöst. In der Folge fanden in London täglich Hinrichtungen statt, denn

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