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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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und an Warwick übergeben worden war.
    Ein mächtiger Lärm ertönte und lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Leute hinter Warwick und Exeter.
    »Ah, jetzt kommt der König!«, sagte ich und stand auf wie alle anderen auf den hohen Bänken. König Henry ging allein. Er war in schlichten weißen Samt ohne Juwelenschmuck gewandet und trug einen einfachen Goldreif im Haar. Ich fand es passend, dass er keine Begleitung hatte, denn jeder liebte den gütigen, freundlichen König; er hatte keinen Feind auf dieser Welt.
    Ein weiterer lauter Jubel brach aus, als der Duke of York ganz in Violett erschien, Hand in Hand mit Königin Marguerite. Sie hatte ein scharlachrotes Gewand mit Goldverzierungen und aufgestickten Diamanten gewählt. Hier rief die Menge: »York! York!«, und obwohl zahlreiche weiße Rosen in die Luft geworfen wurden, hatte sich offenbar niemand die Mühe gemacht, Gänseblümchen zu pflücken. Die Königin wirkte so verärgert, dass ich erschrak. Aber da ich entschlossen war, diesen Tag meiner Verlobung zu genießen, verbannte ich alle Sorgen aus meinem Kopf und suchte unter den nun folgenden Nevilles und Percys nach John.
    »Dort ist John!«, rief ich begeistert, als ich ihn in Grün und Silber entdeckte, Hand in Hand mit dem mickrigen Egremont. Letzterer schaute so wütend drein, wie es bei diesem Anlass eigentlich nicht sein dürfte. Und mir kam ein beängstigender Gedanke: Zwar hatte der König die Zustimmung seiner Gemahlin zu meiner Heirat mit einem Yorkisten-Sohn als versöhnliches Zeichen gedeutet und die Gelegenheit genutzt, die verfeindeten Seiten zu einem Friedensschluss zu bewegen, doch an diesem Fest der Liebe war nichts Echtes. Es war bloß ein Schauspiel dem gutgläubigen König zu Ehren. Ich zog den Umhang fester um mich, weil ich auf einmal fröstelte, und blickte ängstlich zum König.
    Er war der Einzige, der noch lächelte, als er in der Kathedrale verschwand. Unser milder, gutherziger König würde lieber vergeben als bestrafen, zog die Gnade der Gerechtigkeit vor und glaubte, er könnte seinem Land Frieden bringen. Was er nicht begriff, war, dass solch ein Bestreben gänzlich andere Folgen haben konnte, indem es gute Männer dazu trieb, sich statt auf das Gesetz auf ihre Stärke zu verlassen, um sich gegen Missetäter zu schützen. König Henry glaubte an diesen Tag; er war überzeugt, die Kluft zwischen Feinden ließe sich überbrücken, indem sie einander bei den Händen hielten.
    Seine Königin folgte ihm mit versteinerter Miene und unnachgiebiger Haltung in die Kathedrale. Ich sah mich unter den anderen auf unserem Logenpodest um. Niemand lächelte. Sie saßen stumm da und blickten der Königin nach. Sie wissen es auch, dachte ich. König Henrys Liebesfest würde nichts ändern; alles würde bleiben, wie es war.
    Abrupt wurde ich aus meiner Grübelei gerissen. John hatte die oberste Stufe der St.-Paul’s-Kathedrale erreicht und schaute hinauf zu unseren Bänken. Sogleich war meine Verzweiflung vergessen. Ich sprang auf und winkte ihm zu. Das Lächeln, das er mir schenkte, wärmte mich selbst aus der Ferne. Dann ging er in die Kathedrale.
    Was bedeutet schon irgendetwas, solange wir uns haben?, ging es mir durch den Kopf, und ich setzte mich wieder. Wir sollten verlobt werden, und dann konnte nichts mehr zwischen uns kommen, denn eine Verlobung war nicht minder heilig als die Heirat. Erst als die Countess of Salisbury meinen Arm umfasste, wurde ich gewahr, dass keine Nevilles und Percys mehr auf der Straße waren. Es wurde Zeit, dass ich ebenfalls in die Kathedrale ging, zu meiner Verlobung.
    Im flackernden Kerzenlicht und mit Weihrauchwolken über uns legten John und ich unsere Treuegelöbnisse vor dem Erzbischof von Canterbury und dem Hochadel des Königreiches ab. Gleich nach dem Gottesdienst, als mir noch schwindelte vor Freude, begaben wir uns nach Westminster. König Henry hatte veranlasst, dass seine Feier des »Liebestages« in der großen Halle von Westminster abgehalten werden sollte, dem größten Festsaal Europas, der gewöhnlich solch gewichtigen Anlässen wie den Versammlungen des königlichen Rates vorbehalten war.
    Vor Ehrfurcht erstarrte ich an Johns Arm, als er mich in den prachtvollen Saal führte. Der Boden war mit Rosenblättern, Kräutern und duftender Ambra bestreut, und die gigantische Halle war von blendender Schönheit. Zwischen den hohen Fenstern waren die Wände vollständig verhangen von farbenprächtigen Gobelins, die im Schein der vielen Fackeln und

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