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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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weißen Haar, stieg von dem Kahn, der eben angelegt hatte, und humpelte über den Steg.
    Ursula rannte mit wehenden Röcken auf ihn zu. »Vater, Vater!«
    Ich schluckte, denn beim Anblick ihrer Freude hatte ich einen Kloß im Hals.
    Der Tag der Prozession anlässlich von Mariä Verkündigung, der fünfundzwanzigste März, begann mit strahlendem Sonnenschein. Lerchen sangen, Narzissen und Lilien kündeten vom beginnenden Frühling, und London vibrierte vor Vorfreude. Zu beiden Seiten der Straße bei der St.-Paul’s-Kathedrale waren erhöhte Steh- und Sitzplätze für die Adligen aufgebaut und mit goldgeränderten Fahnen und Gobelins behängt worden – auf der einen Seite mit den Yorkisten-Wappen, auf der anderen mit denen der Lancastrianer.
    Es hatte sich bereits eine große Menge eingefunden, als ich in der Neville-Loge ankam, um die Prozession anzusehen. Das gemeine Volk schwenkte weiße und rote Rosen aus Tuch, Holz oder Papier und drängelte sich in den engen Straßen und auf Dächern, Mauern und Balkonen um die besten Plätze. Alle wollten sehen, wie die erbitterten Feinde zur St.-Paul’s-Kathedrale gingen und sich ewige Freundschaft schworen. Die Countessen von Salisbury und Warwick sowie die Kinder Anne und Bella stiegen die Stufen zu ihrem bändergeschmückten Podest hinauf, und ich folgte ihnen mit Ursula. Wir begrüßten die vielen Schwestern Johns und deren Familien, die schon dort waren. Die oberste Bank hatten sie allerdings für die Countessen freigelassen. Aufgeregt kreischend, kletterten Anne und Bella nach oben, um sich zwischen ihre Mutter, Countess Nan, und ihre Großmutter, Countess Alice, zu setzen. Ich nahm meinen Platz neben Johns Mutter ein, von wo aus ich eine herrliche Sicht auf die Straße unten hatte.
    Wilder Jubel brach aus, als die Prozession, die von Musikanten angeführt wurde, in der Ferne erschien. »Mylord der Earl of Salisbury ist ganz vorn«, sagte Johns Mutter.
    Wir reckten die Hälse, um seine große, in weinroten und saphirblauen Samt gehüllte Gestalt zu sehen. »Er geht Hand in Hand mit Somerset«, bemerkte ich.
    Ursula beugte sich vor. »Ah, jetzt sehe ich Somerset«, sagte sie und spöttelte: »Weinrot steht ihm nicht besonders.«
    »Keine Farbe steht ihm«, flüsterte ich. Wir kicherten, wurden aber rasch wieder ernst und sahen nach vorn. Dabei entging mir nicht, dass Johns Mutter ein Schmunzeln unterdrückte.
    »Dort ist mein edler Earl of Warwick, gleich als Nächster! Er geht neben dem Duke of Exeter!«, rief Ursula verzückt aus, und ich sah sie verwundert an. »Was für eine majestätische Erscheinung mein Earl of Warwick doch ist, unser Captain von Calais!«, schwärmte sie. »Der mutigste, galanteste Ritter der Christenheit!«
    Ich blickte kurz zur Countess Nan, die ein gutes Stück seitlich von uns saß, weil ich Sorge hatte, sie könnte Ursulas Lobeshymnen auf ihren Gemahl, unschuldig wie sie waren, nicht gutheißen. Doch Anne und Bella juchzten so ausgelassen angesichts ihres Vaters in der Prozession, dass ihre Mutter nichts gehört hatte. Überhaupt dürfte es bei dem allgemeinen Jubel und den »A Warwick! A Warwick«-Chören niemand außer mir mitbekommen haben.
    Ich neigte mich näher zu Ursula. »Er kleidet sich stets sehr elegant, und dieses Gewand in Schwarz und Gold macht sich ganz hervorragend an ihm.«
    »Wer wollte sich mit ihm vergleichen?«, seufzte Ursula, die den Hals noch weiter reckte, um ihn besser zu sehen. »Er überstrahlt den Duke of Exeter, wie die Sonne den Mond überstrahlt, nicht wahr?«
    »Es wäre schwierig, wenn nicht, bei so viel Gold und Edelsteinen«, neckte ich sie. »Warwick funkelt wie die Sonne selbst.« Seit Warwick sich der Sache mit Ursulas Vater angenommen hatte, lobte sie ihn in den höchsten Tönen. Zuerst hatte ich es für überbordende Dankbarkeit gehalten, hegte jedoch allmählich den Verdacht, es könnte mehr sein. Ach, dachte ich, Bewunderung ist der Liebe so nahe!
    »Und Mylord Warwick ist so breitschultrig, Exeter hingegen so dünn«, lobpries Ursula ihn weiter inmitten des lauten Jubels.
    »Dünn und in fahles Grau gewandet, ohne den riesigen Saphir und das Diamantkreuz des Captain of Calais, das dem Auge schmeichelt«, warf ich ein. Doch geblendet von Warwick, bemerkte Ursula nicht, dass ich sie veralberte. Nun kam er an uns vorbei, lächelte der Menge zu und hob eine Hand zum Gruß. Exeter neben ihm beäugte den neuen Captain von Calais missmutig, war es doch vorher sein Kommando gewesen, bis es ihm weggenommen

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