Die Herrin des Labyrints
weiß es nicht, Amanda. Du warst zu dem Zeitpunkt nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen und reichlich unnahbar. Vielleicht wollte ich nicht noch mehr Wunden aufreißen. Tja, und dann überstürzten sich die Ereignisse etwas.«
Das hatten sie wohl getan. Ich hatte von Damons diversen Seitensprüngen erfahren und nach schrecklichen Szenen voller Selbstmitleid und Tränen auf Scheidung gedrungen. Diese Erinnerungen wollte ich jetzt lieber nicht vertiefen und stippte deshalb schweigend das gewürzte Olivenöl mit meinem Brot auf.
»Hat Halima schon Nachricht bekommen?«
»Nein, sonst hätte sie sich sicher gemeldet.«
»Was ist eigentlich mit dem Rest der Familie? Hast du jemandem von deinem Anspruch auf Gitas Erbe erzählt?«
»Nein. Ich war zwar einmal kurz davor, Nicole davon zu berichten, aber dann erschien es mir besser, zu warten, bis ich echte Beweise in der Hand habe.«
»Mh!« Damon nickte und fragte dann: »Wer ist Nicole? Die Frau von Gitas Sohn?«
»Das ist etwas komplizierter. Ferdinand – man nennt ihn Nandi, und wenn du ihn siehst, weißt du auch warum – ist noch miteiner anderen Frau verheiratet, lebt aber in Scheidung. Nicole ist seine Freundin. Und meine auch.«
»Kannst du mir etwas mehr von ihm erzählen?«
»Warum?«
»Weil es mich interessiert.«
»Könntest du ein bisschen konkreter werden, oder hast du die Absicht, mich zu reizen?«
Meine neue Haut war wohl doch noch an manchen Stellen ziemlich dünn. Ich war immer auf der Hut davor, verletzt zu werden. Aber vielleicht hatte Damon auch etwas dazugelernt und lenkte – anders als er es früher getan hatte – ein.
»Ich würde mir gerne ein Bild davon machen, wie er auf diese Eröffnung reagiert. Schließlich geht es ja wohl um die Hälfte des Vermögens, das dir zufallen wird.«
»Na ja, Freudensprünge wird er nicht machen, denke ich. Er hat gerade einen ziemlichen Flop gelandet. Also gut, ich erzähle dir, was ich weiß.«
Entschlossen reichte ich dem Kellner meinen Teller und konzentrierte mich auf Nandi.
»Er ist dieses Jahr fünfundvierzig geworden, ist also dreizehn Jahre jünger als Josiane, und ist der Sohn von Gitas zweitem Mann. Soviel ich weiß, hat er seine Ausbildung im Bereich der Medienwirtschaft gemacht und hat lange in München bei einer Filmgesellschaft gearbeitet. Vor siebzehn Jahren oder vielleicht auch etwas früher hat er Valerie geheiratet. Sie haben drei Kinder, die Älteste ist, glaube ich, ungefähr sechzehn. Er ist vor fünf oder sechs Jahren wieder hierher zurückgekommen und hat eine eigene kleine Produktionsfirma aufgemacht. Das scheint im Anfang ganz gut gelaufen zu sein, sie haben wohl so Werbefilme oder Ähnliches gemacht. Dann hat Nandi Nicole kennengelernt, Gita war damals schon pflegebedürftig, und Nicole hatte sich um sie gekümmert. Nicht professionell, sondern eher so als Gesellschafterin. Jedenfalls hat es zwischen den beiden kräftig gefunkt, und Nandi hat ziemlich Knall auf Fall seine Familie verlassen. Valerie und die Kinder wohnen noch in dem Haus, das er damals gekauft hat, und er ist mit Nicole zu Gita gezogen. Vor zwei Jahren hat erdann angefangen, seine Firma zu erweitern, und will jetzt Kinofilme produzieren.«
»Wo hat er denn das Kapital dazu her? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm vier Jahre Werbefilme schon derartige Gewinne ermöglicht haben, in größere Produktionen einzusteigen.«
»Nein, Gita hat ihm unter die Arme gegriffen.«
»Vorgriff auf sein Erbanteil?«
»Das nehme ich an.«
»Und wie läuft der Laden? Hat er darüber schon mal etwas verlauten lassen?«
»Nein, aber er leistet sich jedes Jahr ein neues Auto, immer der gehobensten Klasse, und führt sich auch sonst nicht knickerig auf. Allerdings scheint sein Erstlingswerk ein glatter Durchfaller zu sein, die Kritiken waren vernichtend.«
»Das hört sich nicht gut an.«
»Nein, vor allem weil er Nicole heiraten möchte und Valerie kräftige Zahlungen verlangt.«
»Das heißt, Nandi müsste stark daran interessiert sein, dass die Erbin nicht gefunden wird. Oder siehst du das anders?«
»Nein, so habe ich das auch immer gesehen, und so habe ich sein Verhalten mir gegenüber auch gedeutet.«
»Hast du schon mal darüber nachgedacht, ob dieser Unfall gewünscht war?«
»Das habe ich, Damon. Nandi mag vielleicht nicht mein Typ sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er einen Mordversuch unternimmt. Ich kenne ihn inzwischen drei Jahre, und wir haben manchmal Tage und Nächte bei Gita zusammen
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