Die Herrin des Labyrints
Lehrmeister.«
»Autsch, und jetzt bin ich fällig? Früher warst du viel zurückhaltender. Und was mich besonders wundert, ist, dass dieser Schmachtfetzen, der sich von Liebe winselnd zu deinen Füßen gewälzt hat, damit nicht dein ganzes Herz erobert hat.«
»Mit Schmachtfetzen putze ich mir heuer noch nicht einmal die Schuhe. Können wir das Thema jetzt beenden?«
»Gerade wo es anfängt, interessant zu werden? Aber nein. Ich entdecke gerade ganz neue Seiten an dir, Amanda.«
»Deine Entdeckerfreude hast du wohl einfach nur ein bisschen zu lange gezügelt. Ich bin immer noch die Gleiche.«
»Na, ich weiß nicht. Die ganze Opferhaltung ist dir abhanden gekommen. Du wirst regelrecht unterhaltsam.«
»Hör auf, auf meiner Mutter herumzuhacken!«, schaltete sich Patrick wieder ein, und ich war ihm dafür dankbar.
»Gut, mein Sohn. Sonst laufe ich wohl Gefahr, auch einen Tritt ans Schienbein zu bekommen. Übrigens war das keine ganz faire Handlung. Der arme Ulli war doch schon am Boden zerstört.«
»Na und? Du hast doch nichts getan. Du hast dich ja noch nicht mal getraut, ihm eine aufs Maul zu hauen.«
»Zivilisierte Menschen pflegen ihre Konflikte nicht in Schlägereien auszutragen. Darüber haben wir uns heute schon einmal unterhalten.«
»Aber er hat Baba angetatscht! Du bist ein Feigling, Vater!« Bei dem letzten, in höchster Erregung ausgestoßenen Satz rutschte Patricks Stimme plötzlich eine Oktave nach unten, und mit blutrotem Gesicht hielt er sich die Hand vor den Mund. Dann drehte er sich um, schoss die Treppe zu seinem Zimmer hoch, und noch eine Tür fiel krachend ins Schloss.
»Ach, der Ärmste«, sagte Damon, und das klang diesmal überhaupt kein bisschen spöttisch. »So ein Ausbruch, und dann kippt die Stimme weg.«
»Es war das erste Mal.« Ich hatte mich schlagartig wieder beruhigt und war voll Mitleid mit meinem Sohn. Es brach da gerade eine harte Zeit für ihn an. Und ich hatte keine Münze für ihn …
Aber einen Vater.
»Damon, ich denke, da wird eine lohnenswerte Aufgabe auf dich zukommen.«
»Du meinst, meinen Sohn auf das Leben als Mann vorzubereiten?«
»Ja, du darfst meinem Sohn gerne mit männlichem Rat zur Seite stehen.« Ich grinste ein bisschen und fragte mich, ob Damon die Herausforderung annahm.
Er tat es nicht, sondern nickte nur. »Ich kümmere mich darum, Amanda. Er hat übrigens gut gespielt heute. Er hat den zweiten Platz gemacht.«
Damon machte Anstalten, sich zu verabschieden, aber diesmalwarf ich mein Herz über den Zaun und fragte ihn, ob er nicht noch auf ein Glas Wein bleiben wolle.
»Gerne.«
Damon legte seine Lederjacke ab und streckte dann die Beine in einem Sessel aus. Ich sah ihn mit einem kleinen, schrägen Blick an, aber er grinste mir nur zu.
»Rotwein, vermutlich?«
»Wenn du hast.«
Damon war ein Rotweintrinker, ich zog leichtere weiße Weine vor, aber manchmal, vor allem wenn mein Magen grimmte, trank ich auch mal ein Glas schweren Burgunder. Ich hatte einen Vorrat im Keller und fand, als ich in meinen Magen hineinfühlte, dass die Vorstellung auch für mich ganz annehmbar war.
Dann saßen wir uns gegenüber und sahen uns über unsere Gläser hinweg an. Mir wollte absolut kein Gesprächsthema einfallen, also nippte ich schweigend an meinem Wein.
»Patrick und ich hatten heute schon einmal eine ähnliche Diskussion, Amanda. Das mag seinen unangemessen heftigen Ausbruch erklären.«
»Was ist passiert?«
»Er hat sich mit einem der anderen Jungs in die Wolle gekriegt, eine Banalität über die Qualität von Schlägern und Bällen oder so. Dabei ist der andere ein wenig – wie soll ich sagen? – persönlich geworden und hat Patricks Trainer beleidigt. Dein Sohn fühlte sich bemüßigt, dessen Ehre schlagkräftig zu verteidigen. Wir haben die Zankhähne auseinandergebracht, und ich habe ihm einen kleinen Vortrag über die verschiedenen Methoden der Konfliktbewältigung gehalten. Er kam nicht gut an.«
»Oh,
mein
Sohn, in diesem Fall? Also, ich persönlich lasse ihn seine Konflikte auf die Art und Weise austragen, wie er es für richtig hält. Und anschließend verarzte ich seine Schrammen. Ich bin da nicht so zimperlich.«
»Das hat mit Zimperlichsein wenig zu tun. Er ist ein kleiner Raufbold, und wenn er sich nicht ein bisschen diszipliniert, wird er irgendwann einmal in ernsthafte Schwierigkeiten kommen.«
»Die du natürlich immer vermieden hast. Klar, du hast ja auch eine scharfe Zunge. Glaubst du, die ist weniger
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