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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Er sah mich an, und diesmal stand dieses Lächeln, das ich mir so oft gewünscht hatte, in seinen Augen. Dann machte er mir einen unerwarteten Vorschlag.
    »Du könntest Halima bitten, dir eine Methode zu zeigen, mit der du an das Wissen kommen kannst, das in der Münze verborgen ist.«
    »Ich habe sie doch …«
    »Nein, nicht das, was oberflächlich zu sehen ist, sondern was die Vergangenheit ihr eingeprägt hat.«
    Ich muss wohl mehr als verblüfft ausgesehen haben, denn er lachte plötzlich auf.
    »Hey, du weißt doch, dass Halima über ein umfangreiches Wissen verfügt. Warum willst du dir von ihr nicht helfen lassen?«
    »Ja … klar weiß ich davon. Aber dieser Vorschlag von dir … Ich bin …«
    »Amanda von den Socken!«
    Lachend schüttelte ich den Kopf und versuchte ein neues Bild von Damon in mein Konzept von ihm einzufügen. Es wollte nicht passen und warf Fragen auf.
    »Ich weiß, du hast bei irgendwelchen ungewaschenen Schamanen Peyotl geschnupft oder so etwas. Das hat mich schon gewundert, aber ich habe das für ein strikt wissenschaftliches Interesse gehalten, so mit Prozentsätzen und der statistischen Wahrscheinlichkeit von Todesfällen nach der Einnahme …«
    »Das war auch dabei, aber warum unterstellst du mir, dass ich die Existenz anderer Dimensionen verleugne?«
    »Weil du ein nüchterner Mathematiker bist.«
    »Gut, deine letzten Berührungen mit der höheren Mathematik sind sicher schon einige Jahre her, aber ich möchte dich daran erinnern, dass gerade Mathematiker dazu einen engen Bezug haben. Schau, wir bewegen uns in unserem täglichen Leben frei in drei Dimensionen, in Länge, Höhe und Breite. Das ist das, worauf unsere verschiedenen Sinnesorgane ausgerichtet sind. Wir bewegen uns zwar linear, aber nicht frei in einer vierten Dimension, nämlich in der Zeit. Das nehmen wir nur wahr, wenn wir uns darin Wegmarken setzen. Zum Beispiel die Zeiger einer Uhr, den Sonnenaufgang oder die Phasen des Mondes. Aber in der Mathematik arbeiten wir mit Dimensionen, die weit darüber hinausgehen. In Formeln natürlich nur. Aber diese Formeln beschreiben Zustände und Möglichkeiten. Wir arbeiten auch mit negativen oder gar mit irrationalen Zahlen. Auch die beschreiben eine Wirklichkeit, die wir mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen können. Wir bilden Phasenräume des Möglichen, in denen das Mögliche zwar undenkbar ist, aber trotzdem noch immer eine Möglichkeit bleibt. Entschuldige, ich doziere.«
    »Nein, du faszinierst.«
    »Wirklich? Danke für die Blumen. Wie kommt’s so plötzlich?«
    »Spöttelst du?«
    »Nein, kein bisschen, Amanda. Ich wollte dir nur zu verstehen geben, dass ich gerne von dir über deine Erfahrungen auf dem Gebiet hören würde. Denn da ist doch etwas, nicht wahr?«
    Ich war froh, die Beleuchtung auf zwei Kerzen reduziert zu haben und dass meine Haare mein rotes Gesicht verdeckten.
    »Was ist? Hat dir etwas Angst gemacht?«
    »Ja, das auch. Ach, Scheiße. Damon, musst du darauf herumhacken? Bislang haben wir uns so gut unterhalten.«
    »Hör mal, jetzt weiß ich nicht, was du meinst. Ich wollte nicht auf dir herumhacken. Wenn es dir unangenehm ist, darüber zu sprechen, dann lass es sein.«
    »Unangenehm, du Witzbold? Besessenheit als unangenehm zu bezeichnen ist ein überaus herziger Euphemismus.«
    »Besessenheit? Du? In welchen Fällen?«
    Diesmal sah ich ihn wohl mit riesengroßen Augen an. Wusste er das nicht?
    »Hat Halima dir das nicht erklärt?«
    »Nein, sie hat nur sehr wenig über dich gesprochen. Was hätte sie mir sagen können?«
    »Dass ich nicht tanzen kann, ohne dabei auszurasten.« Ich stand auf und nahm die kleine Figur aus der Schublade, in die ich sie gelegt hatte, um nicht ständig an sie erinnert zu werden. Mit wütendem Schwung stellte ich Kali Ma vor ihn neben das Rotweinglas, und ein blutroter Schimmer tauchte die Göttin in tanzendes Licht.
    Er sah sie an, und ich bemerkte, dass sich die Härchen auf seinem Unterarm aufrichteten. Dann stand er auf, ging zum Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Als er eine lange Weile geschwiegen hatte, trat ich neben ihn.
    »Was ist, Damon?«
    Er drehte sich um und sah mir in die Augen. Dann legte er mir den Arm um die Taille und zog mich an sich. Eigentlich hatte ich mich wehren wollen, aber das schien nicht möglich zu sein. MeineMuskeln gehorchten mir nicht mehr, und meine Knochen waren gänzlich weich geworden.
    »Das habe ich nicht gewusst, Amanda. Aber es erklärt vieles, nicht wahr?«, flüsterte er

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