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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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anderes Seltsames aufgefallen. Vorhin, als ich Ihren Sohn kennengelernt habe – ein sehr höflicher Junge übrigens. Bringen Sie mich doch bitte in mein Zimmer, ich muss Ihnen etwas zeigen.«
    Ich schwang den Rollstuhl herum und fuhr sie die Rampe hinauf zu den Zimmern.
    »Seit wir neulich telefoniert haben, habe ich oft an Ilona Reese gedacht. Schade, dass Sie sie nie kennengelernt haben, aber wahrscheinlich verständlich, wenn man ihre Geschichte kennt.«
    Wir hatten die Zimmertür erreicht, und ich öffnete sie. »Da, zum Tisch bitte.«
    Auf dem Tisch lag eines jener alten Fotoalben, die alte Menschen oft wie Schätze hüteten.
    »Ich habe Ilona erst kennengelernt, als ich hier vor zwei Jahren einzog. Sie war manchmal sehr verwirrt, Gegenwart und Vergangenheit konnte sie nicht immer auseinanderhalten, und darum habe ich von ihr Dinge erfahren, die wahrscheinlich nicht für meine Ohren bestimmt waren. Ich werde sie auch nicht weitergeben. Aber sie hat mir ein Foto geschenkt, das Sie sich einmal gut ansehen sollten.«
    Sie zog eine Vergrößerung aus dem Album und reichte sie mir. Darauf war eine schmale Frau zu sehen, etwa um die vierzig, hübsch und ein wenig zurückhaltend, aber um ihre Augen herum war die Ähnlichkeit mit Damon nicht zu verkennen. Neben ihr standen ein junger Damon, lang aufgeschossen und mit knochigen Gliedern, und – Patrick.
    »Wer … oh, das ist ja unheimlich!«
    »Ilona hatte zwei Söhne, Damon und Patrick. Ich dachte, das sollten Sie wissen, auch wenn Ihr Mann nicht davon gesprochen hat.«
    »Der Junge – sein Bruder heißt auch Patrick?«
    »Ja, er hieß auch Patrick.«
    »Hieß?«
    »Er starb mit dreizehn Jahren. Ein tragischer Unfall, sagte man. Aber …«
    Ich war so erschüttert, dass ich mich setzen musste. Da war etwasgeschehen, das einen ganz neuen Aspekt in Damons Verhalten beleuchtete. Ich musste unbedingt herausfinden, was mit dem Jungen passiert war.
    »Damon und ich haben uns in der letzten Zeit wieder häufiger getroffen, Frau Seebruk. Er kümmert sich sehr intensiv und liebevoll um unseren Sohn, aber ich finde manchmal keinen Zugang zu ihm …« Ich sah aus dem Fenster, und die alte Dame schien wohl meine Ratlosigkeit in meinem Gesicht zu lesen.
    »Die Trennung zwischen Ihnen beiden war wohl doch nicht so ganz endgültig?«
    »Nein. Das war sie wohl nicht. Und jetzt versuche ich einen neuen Weg zu finden. Dazu gehört für mich, die Fehler wiedergutzumachen, die ich damals begangen habe. Unter anderem den der Gleichgültigkeit. Ich muss auch versuchen, die Wunden zu heilen, die ich ihm unwissentlich zugefügt habe. Deshalb sollten Sie mir sagen, was ich wissen muss, um weitere Verletzungen zu vermeiden.«
    »Schauen Sie mich an, Amanda.«
    Ich sah sie an, hielt ihrem Blick stand und senkte dann, beschämt vor mir selbst, die Lider.
    »Ich vertraue Ihnen, Amanda. Aber seien Sie vorsichtig. Mit einem solchen Wissen kann man unermesslichen Schaden anrichten. Damon hat es Ihnen gegenüber aus seinen eigenen Gründen für sich behalten, ob das gut war, weiß ich nicht, aber es war seine Entscheidung.«
    Sie schwieg einen Moment, wohl um die richtigen Worte zu finden. Schließlich erzählte sie, und in der kurzen Geschichte tat sich eine Welt des Grauens für mich auf. Ilonas Mann hatte den älteren Sohn sexuell missbraucht und gequält, und Damon wusste davon. Er konnte aber aus verschiedenen Gründen nichts dagegen tun. Eines Tages, als die beiden Brüder zusammen von der Schule nach Hause gingen, hatte sich Patrick von einer Brücke auf die Autobahn gestürzt. Damon hatte versucht, ihn zu retten, aber sein Bruder starb wenige Tage später im Krankenhaus an seinen Verletzungen. Das ganze Ausmaß der familiären Tragödie kam nach und nach heraus, und der Vater wurde verurteilt. Aberdas half dem elfjährigen Jungen sehr wenig, und Ilona begann seit dem Vorfall, sich immer weiter in eine Traumwelt zurückzuziehen.
    »Das ist – nein, dafür finde ich die Worte nicht.«
    »Ja, Amanda, so ist das. Jetzt tragen Sie die Verantwortung des Wissens.«
    »Danke, Frau Seebruk. Danke, dass Sie mir das erzählt haben. Ich werde mich bemühen, aus diesem Wissen irgendetwas Fruchtbares zu machen oder es für immer zu verschließen.«
    »Verschließen werden Sie es nicht können. Sie sehen ja, es ist jetzt schon durch mich ans Licht gekommen. Solche Dämonen haben die Angewohnheit, sich früher oder später immer wieder in das Leben der Betroffenen einzumischen. Aber jetzt muss ich wieder

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