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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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einen Haufen zackiger Scherben bildete. Der Krach und das Klirren ließen mich zusammenzucken, und in den einzelnen Bruchstücken auf dem Boden sah ich mein entsetztes Gesicht in alle möglichen Sichtwinkel zerbrochen.
    Scherben bringen zwar Glück. Ein zerbrochener Spiegel jedoch bringt sieben Jahre Ärger, das hatte meine Großmutter immer gesagt. Mama hatte dann immer ein bisschen ungehalten auf diesen Aberglauben reagiert. Ich musste wohl dennoch irgendetwas Abergläubisches in meiner Seele behalten haben, denn plötzlich war es nicht mehr nur der materielle Schaden, der mir die Panik in das Gesicht zauberte, sondern eine eigenartige Gefühlsverbindung. Ähnlich wie dieser Zerrspiegel, in dem ich mich in dem Volkshochschulkurs ständig verfremdet beobachtet hatte, lösten die Facetten des zerbrochenen Glases in mir wieder einmal diese quälende Frage aus, wer ich denn nun wirklich war.
    Nach einer starren Minute riss ich mich von dem Trümmerhaufen los, schüttelte die Gedanken ab und kehrte die Scherben zusammen. Dann nahm ich das Telefon zur Hand und wählte Halimas Nummer. In diesem Studio gab es wenigstens eine glatte, perfekte Spiegelwand, in der ich nur eine Amanda sehen würde.
    »Aber gerne, Montag und Freitag kannst du kommen. Ich denke, die Kurse für Fortgeschrittene sind richtig für dich«, sagte Halima, und ich hatte den Eindruck, es schwang sogar etwas Freude in ihrer Stimme mit.
    »Aber es gibt noch etwas völlig anderes, worüber ich gerne mit dir gesprochen hätte. Es hat nichts mit Tanzen zu tun. Hast du irgendwann mal eine halbe Stunde Zeit?«
    »Montag nach dem Kurs. Es ist ja der letzte am Abend. Ich merk’s mir vor. Bis dann, Amanda! Schön, dass du kommst.«
    Es war eine neue Erfahrung für mich, im Kreis wirklich geübter Tänzerinnen Unterricht zu erhalten. Die straffe Führung, mit der Halima die Gruppe im Griff behielt, ließ keinerlei eigenwillige Anwandlungen bei mir zu. Als der Kurs beendet war, bat sie mich dann in ihr Büro und ließ die Tür hinter sich zufallen. Unaufgefordert stellte sie eine Tasse Tee vor mich hin, eine Geste, die zu ihr gehörte wie die klimpernden Reifen um ihre Arme, wie ich bald feststellen konnte.
    Sie kam ohne Umschweife zur Sache, was mich ein wenig verdutzte.
    »Du hast Fragen an mich, Amanda?«
    Sie zog ein weites, grellblaues Sweatshirt über und löste die Klammer, mit der sie die Haare oben auf dem Kopf zusammengefasst hatte. Bewundernd und mit leichtem Neid sah ich die leicht gewellte, schwarze Pracht über ihren Rücken fließen. Dann konzentrierte ich mich auf die Erklärung, die ich mir mit einiger Mühe zusammengestellt hatte, um mein Anliegen nicht allzu unglaubwürdig erscheinen zu lassen.
    »Mich hat eine Freundin gebeten, etwas Licht in eine uralte Begebenheit zu bringen, die sich vor ungefähr dreißig Jahren in Kairo abgespielt hat.«
    Kurzgefasst versuchte ich ihr zu beschreiben, wie ich dabei auf sie gestoßen war. Halima hörte mir schweigend und ohne sichtbare Regung zu, bis ich alles gesagt hatte, was mir wichtig erschien. Sie hatte dabei die ganze Zeit aus dem Fenster gesehen und drehte sich erst zu mir um, als ich verstummte. Ihre dunklen Augen verwirrten mich, denn ihr Blick blieb lange forschend auf mir ruhen, als ob sie etwas in mir suchte.
    »Josiane. Wie das Schicksal so spielt«, sagte sie dann mit ihrer tiefen, leisen Stimme, die sie auch vor zehn ihrer Schülerinnen nicht erheben musste, um sich gegen die Musik verständlich zu machen. Sie schwieg wieder und musterte mich weiter. Ich wurde ungeduldig, denn offensichtlich wusste Halima etwas.
    »Habe ich etwa ins Schwarze getroffen?«
    »Das hast du wohl.« Halima sah mich noch einmal nachdenklich an und begann dann zu erzählen. Sie sprach ein ausgezeichnetes, völlig akzentfreies Deutsch, so korrekt, wie es nur jemand spricht, dessen Muttersprache es nicht ist.
    »Erstaunlich, wie der Weg des Lebens sich windet. Josiane wohnte damals in einem Nachbarhaus. Ich kann mich an sie erinnern, sehr genau sogar. Man hatte mir verboten, mit ihr Kontakt zu haben. Sie sei eine Abenteurerin, sagten meine Eltern. Sie war in einem Viertel gestrandet, wo Frauen wie sie normalerweise gemieden wurden. Es hieß, ein Mann habe ihr die Wohnung eingerichtet. Ich habe sie aber immer nur alleine gesehen. Bis auf ein einziges Mal.« In Halimas Augenwinkeln flackerte ein leichtesLächeln auf. »Als ich sie kennenlernte, war ich vierzehn. Sie faszinierte mich. Natürlich habe ich mich über das

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