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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ganz zu mir kam ich erst in den frühen Morgenstunden, als ich in der graublauen Dämmerung aufwachte und Damon neben mir im Bett liegen sah. Er schlief ruhig, das harte Gesicht entspannt, die glatte Brust entblößt. Mühsam versuchte ich zu rekonstruieren, was geschehen war, und mit den einzelnen Bruchstücken aus der Erinnerung packte mich die Scham. Ganz vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, stand ich auf, las meine verstreuten Kleidungsstücke auf und stahl mich aus dem Haus. Mit großer Mühe und erst nach einigen Umwegen fand ich mein Auto. Als ich mich im Rückspiegel sah, traf mich das Entsetzen. Mein Gesicht war mit Make-up verschmiert, meine Lippen waren geschwollen, blaue Flecken zierten meinem Hals. Nach und nach bemerkte ich, dass mein ganzer Körper schmerzte. Noch ganz leicht haftete an mir der Geruch nach Sandelholz, ein Duft, den Damon als Eau de Toilette zu bevorzugen schien.
    Zu Hause schlich ich mich in mein Zimmer, schloss die Tür hinter mir zu und gab mir den Anschein, einen entsetzlichen Kater zu haben. Das war zwar für meine Eltern ebenfalls ein kaumzu verzeihendes Vergehen, aber als Ausrede immer noch besser, als das schildern zu müssen, was wirklich geschehen war.
    Für mich behielt ich auch das Wissen, dass Isabell völlig unrecht hatte in der Beurteilung von Damons Leidenschaft.
KAPITEL 11

    Halimas Erinnerung
    »… und dann gab es da so ein Labyrinth, das ein Bauer in sein Maisfeld geschnitten hat, aber das war langweilig.«
    Mein Sohn war aus seinem Zeltlager zurückgekommen, braungebrannt, mit Bergen schmutziger Wäsche und so voller Mitteilungsbedürfnis, wie ich es bei ihm überhaupt nicht kannte. Wahrscheinlich hatte es ihm ganz gut getan, ein paar Tage meiner mütterlichen Obhut entronnen zu sein.
    »Was war langweilig an dem Labyrinth, Patrick? Hast du kleines Genie es nicht geschafft, dich darin zu verirren?«
    »Also Baba, wirklich. In so einem Labyrinth kann man sich nicht verirren!«
    »Na, wenn du meinst. Sag mal, soll diese Mäusemumie in deiner Jackentasche noch einbalsamiert werden, bevor wir sie der Erde übergeben, oder ziehst du eine Feuerbestattung im Grill vor?«
    Patrick prustete los und nahm mir die kleine Leiche ab, um sie in den Müll zuwerfen. Offensichtlich war er jetzt den gröbsten Erlebnisbrocken losgeworden und zeigte auch schon wieder ein mildes Interesse an meinem Leben.
    »Hast du was Neues zu Gitas Enkelin herausgefunden?«
    »Mh, ich weiß nicht so recht. Vielleicht.« Ich erzählte ihm von Halima und dem Tanzstudio. Nichts allerdings von meinem blamablen Auftritt.
    »Ja, und? Gehört sie zu der Familie? Kann sie sich an diese Josiane erinnern?«
    »Ich habe sie nicht gefragt.«
    »Uch, Baba! Warum bist du denn dahin gefahren?«
    »Es gab keine Gelegenheit, sie zu fragen. Sie hatte zu tun.«
    »Dann ruf sie an und mach einen Termin mit ihr aus, an dem sie Zeit hat. Das machst du mit meinen Lehrern doch auch so, wenn du über mich herziehen willst. Manchmal, Baba, bist du schon ziemlich komisch.«
    »Ich ziehe nicht über dich her, ich wälze mich in ihrer Bewunderung für meinen Sohn.«
    »Lenk nicht ab, Baba. Ruf die Frau an. Hör mal, das ist doch spannend!«
    Zwei Tage war es her, seit ich bei Halima vorbeigeschaut hatte, und aus den verschiedensten Gründen tobten widerstreitende Gefühle in mir. Natürlich war es wichtig, sie nach der Familie Massoun zu fragen. Doch ihr Vorschlag, mir bei meinen komischen Bewusstseinsstörungen zu helfen, spukte auch noch in meinem Kopf herum. Das war verführerisch, aber andererseits war mir Halima nicht besonders sympathisch erschienen. Oder besser – korrigierte ich mich, um ehrlich zu bleiben –, sie hatte mich eingeschüchtert. Ich hatte bei ihr das unangenehme Gefühl gehabt, sie wüsste mehr über mich, als mir lieb war. Trotzdem konnte ich nicht ganz leugnen – die Vorstellung, in der gepflegten Atmosphäre ihres Studios zu tanzen, hatte auch ihren Reiz. Sollte ich das wirklich wagen?
    Den halben Nachmittag lang wog ich Für und Wider gegeneinander ab, von mir selbst genervt, dass ich so wenig entschlussfreudig war. Mehrmals hatte ich bereits zum Telefonhörer gegriffen, die ersten Ziffern eingetippt und dann doch wieder aufgelegt. Schließlich war es eine ganz seltsame Kleinigkeit, die mir den letzten Schubs gab. Ich hatte den Flur aufgeräumt, in dem sich drei Paar von Patricks schmutzigen Turnschuhen tummelten, und dabei war ich so ungeschickt an den Wandspiegel gestoßen, dass er herunterfiel und

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