Die Herrin des Labyrints
wütend vor kaum einer Stunde Halima an den Kopf geworfen, und darum gab ich meinem Sohn auch die gleiche Antwort.
»Das ist doch ganz einfach, Patrick. Ich bin geheimnisvoll! Stell dir vor, wie fade das Leben ohne dieses bisschen Mystik wäre.«
Patrick erwiderte mein Grinsen. »Gut, das kann ich akzeptieren. Aber trotzdem könntest du mir mal verraten, warum ich meinen Vater nicht mal treffen kann.«
»Ganz einfach, weil ich nicht weiß, wo er ist.«
»Ach so, und suchen lohnt wohl nicht? Na gut, wechseln wir das Thema. Du schlägst eins vor.«
»Oh, ich hätte da eins, das dich auch interessieren könnte«, fing ich an und berichtete dann von Halima und Josiane. Das faszinierte Patrick so, dass er sogar seinem Bildschirm keine Aufmerksamkeit mehr schenkte und mir gebannt zuhörte.
Aber als ich ihn dann endlich überredet hatte, zu Bett zu gehen, spukten mir seine Worte noch im Gedächtnis herum. Müsste ich nicht wirklich versuchen, mit Damon Kontakt aufzunehmen, damit er und sein Sohn endlich zusammenkommen konnten? Er war direkt nach unserer Trennung ins Ausland gegangen und hatte nie von seinem Recht Gebrauch gemacht, Patrick zu sehen. Aber regelmäßig jeden Monat traf eine Überweisung auf meinem Konto ein. Damon hielt sich in der Hinsicht korrekt an die Abmachungen der Scheidung. Darüber wäre es sicher möglich, seinen derzeitigen Aufenthaltsort herauszufinden. Doch eine Welle von Bitterkeit hielt mich davon ab, diesen Gedanken weiter zu verfolgen.
Dafür verfolgte der Gedanke mich, und in den letzten Stunden der Nacht, wenn Körper und Seele des Menschen am verletzlichsten sind, krallten sich die Folterknechte der Erinnerung in meinen ungeschützten Geist.
Ich hatte nach dieser einen leidenschaftlichen Nacht jede Begegnung mit Damon vermieden. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, wie ich mich benommen hatte, stieg mir die Schamesrötezu Kopf, und ich versuchte, so schnell wie möglich an etwas anderes zu denken. Es waren Ferien, tagsüber betäubte ich mich mit einem Job am Fließband und abends mit meinen Büchern und einer Seminararbeit. Nie hatte ich gründlicher recherchiert als in diesen Wochen, und seltener war ich aus dem Haus gegangen als in dieser Zeit. Dennoch konnte ich den Folgen nicht entfliehen. Im September, zu Semesterbeginn musste ich mir die ganze Wahrheit eingestehen. Ich war schwanger!
Es war eine Zeit, in der ich mich in den tiefsten inneren Konflikten befand. Es gab niemanden, mit dem ich darüber sprechen konnte. Meinen Eltern in ihrer versponnenen Welt von bürgerlicher Wohlanständigkeit konnte ich mich nicht anvertrauen, Isabell würde mich wegen meiner Dummheit auslachen und eine Abtreibung empfehlen, meinen anderen Freundinnen mochte ich erst recht nicht davon berichten. Blieb Damon übrig. Es kostete mich mehr als Überwindung, den erniedrigenden, entwürdigenden Gang anzutreten. Und es wurde noch grauenvoller, als ich befürchtet hatte.
Ich machte mich auf die Suche nach Damon. Für dieses Treffen gab ich mir größte Mühe, zog mich so schick wie möglich an, machte mich sorgfältig zurecht und schaffte es sogar, meine Haare zu bändigen. Seine Telefonnummer kannte ich nicht, nur seine Adresse. Dort traf ich ihn jedoch nicht an, und ich brauchte beinahe den ganzen Tag, um ihn schließlich vor einem Seminarraum abzufangen. Er sah mich erstaunt an, als ich auf ihn zuging, aber dann wurde sein Gesicht sofort wieder ausdruckslos.
»Gut, gehen wir in die Cafeteria. Ich habe eine knappe Stunde Zeit.«
Die Cafeteria war nicht mehr als ein großer, lauter Saal, in dem zerkratzte Resopaltische und unbequeme Plastikstühle herumstanden. Wir drängelten uns an einen leeren Tisch in der Nähe des Büfetts, und ich holte mir einen Kakao, um wenigstens etwas zu haben, woran ich meine kalten, zitternden Finger wärmen konnte.
»Na, dann erzähl mal, was los ist«, forderte Damon mich auf.
Ich hatte einen Kloß im Hals, der sich einfach nicht lösen wollte.Alle Sätze, die ich mir zurechtgelegt hatte, waren unwiderruflich aus meinem Gedächtnis gelöscht.
»Zeit läuft!«, sagte Damon.
Ja, die Minuten zerrannen unter meinen quälenden Versuchen, Worte zu finden, und schließlich schluckte ich den Kloß mit beinahe übermenschlicher Anstrengung herunter und sagte nur einen kurzen Satz: »Ich bekomme ein Kind.«
»So.«
Mehr sagte er nicht, und ich klammerte mich fester an meine Tasse.
»Ja. Von dir.«
»Was macht dich da so sicher?«
Euphorische Freude hatte ich wirklich
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