Die Herrin des Labyrints
liebte es, sich mädchenhaft anzuziehen, und bevorzugte Pastellfarben und kleine Blümchenmuster. Vielleicht passte sie deshalb so gut zu dem grobschlächtigen Nandi. Sozusagen als Ausgleich zu seiner herzhaften Männlichkeit.
Diese zu genießen erlaubte mir der nächste Tag. Offensichtlich hatte Nicole ihm ausführlich von unserem Gespräch erzählt, und wieder stand er gegen Abend unangekündigt vor der Tür. Diesmal angeblich, um mir ein kleines Erinnerungsstück von seiner Mutter vorbeizubringen. Natürlich bat ich ihn herein, kurz nach ihm traf auch Ulli ein. Die beiden Männer begrüßten sich herzlich, und Nandi bat mich, das Päckchen zu öffnen. Ein bisschen misstrauisch löste ich den Klebestreifen. Derartig kleine Schachteln sahen immer verdächtig nach Schmuckbehältnissen aus. Und richtig, es war eine wunderhübsch gearbeitete Brosche aus der Zeit des Jugendstils, eine emaillierte Blütenranke mit Brillanten.
»Nicht nur Nicole hat Gitas Schränke aufgeräumt, ich habe auch versucht, etwas Ordnung in ihre Habseligkeiten zu bringen. Dabei sind mir ihre Schmuckkästen begegnet, und als ich sie durchsah, dachte ich, du hättest vielleicht ganz gerne etwas zur Erinnerung an sie. Meine Mutter hat diese Brosche sehr geliebt.«
»Bezaubernd, Nandi. Aber so etwas solltest du nicht machen. Dieses Stück ist ausgesprochen wertvoll.«
»Zier dich nicht, Amanda«, unterbrach mich Ulli jetzt auch noch. »Du hast so viele Stunden für sie geopfert, und du warst auch Nandi eine große Hilfe.«
»Ja, das warst du wirklich, und jetzt musst du endlich aufhören, dich ständig für uns aufzuopfern. Ich weiß ja, du willst dir das Geld, was sie dir für die Suche nach der Phantomenkelin ausgesetzt hat, redlich verdienen, aber das hast du schon längst getan. Dafür hast du deine eigenen Angelegenheiten vernachlässigt.«
»Wirklich, Amanda. Nandi hat völlig recht. Ich meine, ich spreche nicht von mir. Du hast mir neulich ganz schön die Augen geöffnet. Ich bin ja auch ständig so stark in meinen Job eingespannt,dass kaum noch Zeit für gemeinsame Unternehmungen bleibt. Aber sieh mal, hier im Haus müssen einige Dinge wirklich gerichtet werden. Darum solltest du dich in den nächsten Monaten kümmern.« Dann fügte er auf meinen fragenden Blick hastig hinzu: »Das wird neben deiner Diplomarbeit sicher möglich sein.«
Mit wachsender Spannung und einer ebenso wachsenden Erheiterung hörte ich den beiden Männern zu, wie sie mir die Vorzüge dieser Regelung anpriesen. Mein Schweigen werteten sie offensichtlich als ein nachdenkliches Abwägen der Möglichkeiten, und um dem Ganzen noch eine Steigerung hinzuzufügen, kam Nandi dann mit einem weiteren Vorschlag.
»Was, Ulli, die Heizung ist schon über zwanzig Jahre alt? Die solltet ihr aber schleunigst erneuern.«
»Das habe ich Amanda auch schon mehrfach nahegelegt. Aber es ist wirklich so, dass sich eine Renovierung nicht mehr lohnt. Und eine neue Anlage, vor allem, wenn ein Gasanschluss dazukommt, ist eine immense Investition.«
Nandi nickte, als ob er davon etwas verstünde, und dann, mit einem schlecht gespielten Aufleuchten der Erkenntnis in seinen Augen, schlug er vor, uns aus seinem Anteil des Nachlasses einen Zuschuss zu spendieren. Ich solle es als nachträgliche Gehaltserhöhung akzeptieren, meinte er.
Ich überließ es Ulli, sich vornehm zu zieren, um dann dankend in unser beider Namen anzunehmen. Endlich verabschiedete Nandi sich, und Ulli kam mit einem freudestrahlenden Gesicht zurück.
»Das ist doch mal was, Amanda. Feiner Kerl, der Nandi.«
»Wie du meinst, Ulli. Aber ich betrachte das als schnöden Bestechungsversuch.«
»Wieso denn das? Ach, du meinst diese unsinnige Geschichte mit der Erbin. Komm, vergiss das doch endlich.«
Ich hatte Ulli von Halimas Bericht nichts gesagt und sah auch jetzt keine Veranlassung dazu. Aber mir wurde klar, dass unsere beiden Leben sich immer weiter voneinander entfernten. Leise trauerte ich einem wirklichen Freund nach, der sich mit mir indas Abenteuer der Suche stürzen würde, statt sich an die alten Gewohnheiten wie an ein Paar ausgelatschter Filzpantoffel zu klammern.
KAPITEL 15
Nefertiti
»Patrick, was hast du denn angestellt?«
Mit Mühe unterdrückte ich meine mütterliche Panik und betrachtete meinen lädierten Sohn. Seine Oberlippe war geschwollen, seine Arme zierten Kratzer, seine Jeans war voller Erde und Gras, das T-Shirt zerrissen, und aus einer blutigen Schramme am Haaransatz war es rot über
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