Die Herrin des Labyrints
sein Gesicht getropft. Er hielt einen Arm fest an den Bauch gepresst.
»Ach, nicht Ernstes.«
»Na, dann ist ja gut. Ich hatte mir schon Gedanken um deinen Gegner gemacht.«
Ein schmerzhaftes Grinsen belohnte meinen Versuch, die Situation herunterzuspielen.
»Ist wirklich nicht schlimm, Baba. Es ist nur … ich hab hier was mitgebracht. Meinst du, ich könnte sie behalten?«
Zaghaft sah er mich an und löste dann den Arm vom Bauch. Unter dem T-Shirt zappelte es, und dann rutschte eine kleine Wölbung tiefer. Diesmal stieg echte Panik in mir auf. Wenn es eine Ratte war, dann würde es gleich eine kräftige Auseinandersetzung geben. Blessuren hin oder her. Ich wusste doch, dass einige seiner Freunde sich diese widerlichen Nager als Haustiere hielten, aber mir waren sie wirklich unangenehm.
»Patrick, was ist das?«
Es knäuelte sich noch ein bisschen, dann erschien ein Stück weißes Fell, ein schwarzer Schwanz und schließlich ein weißes Gesicht mit riesigen grünen Augen.
»Ein Kätzchen. Die Schweine haben es am Schwanz angebunden und wollten es durch die Luft wirbeln.«
Die folgende Schilderung der Tierquälerei durch drei Jungen förderte mein Verständnis für Patricks Handlungsweise außerordentlich. Hätte ich die Knaben in die Finger bekommen, es hätte auch mehr als nur ernste Worte gesetzt.
»Gib mal her«, forderte ich, als er fertig war und noch immer das zitternde Tierchen an die Brust gedrückt hielt. Vorsichtig übergab er mir die kleine Katze. Viel verstand ich nicht von Tieren, aber sehr viel älter als vier Monate konnte diese hier nicht sein. Sie jammerte, als ich ihren Po und die Hinterpfötchen stützte. Wahrscheinlich war auch sie verletzt. Aber sie war eine milchweiße Schönheit mit einem schwarzen Rückenstrich, einem rosigen Näschen und schwarz getippten Ohren. Als sie sich ein bisschen bequemer in meinem Arm eingerichtet hatte, begann sie sogar leise zu schnurren, und ich fürchtete, ich war soeben überredet worden, dieser Katze ein Heim zu geben.
»Geh dich waschen und umziehen, Patrick, dann verarzte ich deine Wunden. Anschließend fahren wir beide zum Tierarzt und lassen dieses Geschöpf hier untersuchen.«
Die junge Dame – der Tierarzt bestätigte Alter und Geschlecht – war bis auf die zugefügten Prellungen gesund. Wir erhielten eine Belehrung in Katzenhaltung und mussten für die Kartei auf die Schnelle einen Namen erfinden. Patrick und ich sahen uns ratlos an.
»Na, so schwer kann das doch nicht sein, einer Katze einen Namen zu geben!«, drängte uns der Tierarzt, der mit gezücktem Stift vor der Karte saß. »Auf Mitzi, Katzi oder Maunzi hören sie ganz gerne.«
»Nein«, beschied ich ihn kategorisch. Mir waren Namen wichtig. Schließlich machten sie einen Teil der Persönlichkeit aus.
»Nein«, beharrte auch Patrick und schüttelte energisch den Kopf. »Sie ist was Besonderes, so einen Allerweltsnamen können wir ihr nicht geben.«
»Dann lass dir ganz schnell einen originelleren einfallen. Ich habe nämlich noch mehr Patienten heute.«
Patrick sah mich an und meinte: »Wir nennen sie Nefernefer!« Ich lächelte. Patrick war in seiner ägyptischen Phase, seit er von Josianes Schicksal wusste.
»Es wäre besser, wenn der Name auf i enden würde«, wandte der Tierarzt ein, und ich legte damit fest: »Dann heißt sie eben Nefertiti.«
»Titi, das lässt sich hübsch rufen«, antwortete der Ignorant und bekam einen ernsthaften Verweis von meinem Sohn, so dass der königliche Name in voller Länge auf der Karteikarte eingetragen wurde. Aber Titi war diese Katze von diesem Moment an.
»Mann, war der blöd«, schnaubte Patrick auf dem Heimweg. »Mitzikatzi! Knallkopf, der! Nur weil er mit Nachnamen Schmitz heißt.«
Ich musste darüber lachen, aber ganz unrecht hatte Patrick nicht. Auch mir bedeutete mein Name sehr viel, denn ich wusste, welch großes Leid ein falscher Name einem Kind verursachen kann. Das trockene, pedantische Baptista hatte ich immer gehasst, und Bap entsprach meinem Naturell auch nicht richtig. Vielleicht hatte ich Damon damals deshalb spontan gesagt, ich hieße Amanda, als er mich so kalt lächelnd abgefertigt hatte. Immerhin hatte er mich nie anders angeredet als mit diesem Namen, auch wenn meine Eltern mich konsequent weiter Baptista gerufen hatten. Aber besonders häufig waren wir zu viert nicht zusammengekommen. Damon hatte sich an seine Zusage gehalten und meine Eltern aufgesucht, um sich als künftiger Schwiegersohn vorzustellen. Ich
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