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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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miteinander aus. Was soll ich Patrick sagen, warum du länger bleibst?«
    »Dass ich den hinreißendsten Mann meines Lebens getroffen habe, ist vielleicht nicht gerade die richtige Formulierung fürihn. Aber du könntest ihm ausrichten, dass auch bei mir dieses virtuelle Teil greifbar geworden ist. Er wird schon verstehen.«
    »Bitte?«
    »Ja,
du
musst das nicht verstehen.«
    »Wenn du meinst. Wann kommst du also zurück?«
    »Sonntag um neunzehn Uhr dreißig kommt mein Zug an, ich denke, ich bin so gegen acht zu Hause.«
    »Dann noch viel Spaß.«
    Ich legte den Hörer vorsichtig auf und fragte mich, warum ich das gemacht hatte. Pure Lust am Spott oder um zu probieren, ob ich Damon eifersüchtig machen konnte? Aber da Letzteres ziemlich ausgeschlossen war, musste mich wohl mein Übermut geleitet haben.
    Henry erzählte mir viel aus seinem abwechslungsreichen Leben, von seiner glücklichen Ehe mit Miriam, die eine begabte Künstlerin war. Er zeigte mir das Atelier, in dem sie gemalt hatte, und ich bewunderte die farbenprächtigen Blumenbilder, die ihre Spezialität gewesen waren. Es waren keine faden Aquarelle oder naturalistischen Detaildarstellungen, sondern kraftvolle Visionen dessen, was die Essenz der Blüten und Pflanzen ausmachte.
    »Und wo hast du deine künstlerische Ader versteckt, Amanda?«
    »Ich habe keine, glaube ich. Zeichnen kann ich zwar ein bisschen, es reicht aber noch nicht einmal, um daraus ein Hobby zu machen, singen tue ich zwar gerne, aber nur unter der rauschenden Dusche, und Gedichte gehen mir auch nicht so ohne Weiteres von der Hand.«
    »Musikalisch bist du? Josiane zumindest war es. Sie liebte Musik und hatte ein ausgezeichnetes Gefühl für Melodie und Rhythmus, sogar bei der ungewohnten orientalischen Musik. Etwas, das mir immer ein bisschen fremd geblieben ist.«
    Ein interessanter Aspekt aus Josianes Leben. Ich schluckte und nahm dann Anlauf, um auch von dieser unrühmlichen Episode in meinem Leben zu berichten. Henry war begeistert.
    »Du tanzt! Natürlich, das liegt ja wohl nahe.«
    »Ich tanze nicht mehr.«
    »Aber warum denn nicht? Oh, pardon. Ich habe kein Recht,dich nach deinen Beweggründen zu fragen. Du wirst schon wissen, warum. Erzähl mir mehr von dem Testament und seinen Bedingungen. Kann ich dir irgendwie helfen, deinen Anspruch zu begründen?«
    »Ich muss wohl zuerst die offiziellen Papiere in der Hand halten. Dafür sorgt eine Bekannte. Bislang habe ich mich nicht so sehr um diese Seite des Problems gekümmert.« Ich lachte auf, als ich an Isabell dachte. »Ich war so mit der Suche nach mir selbst beschäftigt, dass mich erst eine Freundin drauf bringen musste, dass mir damit ja auch das Erbe zusteht.«
    »Verständlich. Ich werde sehen, dass ich zumindest meine Rolle als dein Vater möglichst zweifelsfrei belegen kann. Ich spreche morgen mit einem Bekannten, der sich in solchen Sachen auskennt.«
    Es tat mir unendlich gut, einen Freund an meiner Seite zu wissen. Es war mir hier in diesem stillen Landhaus klargeworden, dass ich in meinem Leben echte Freundschaft bisher nicht so recht zugelassen hatte. Zu sehr war ich immer damit beschäftigt gewesen, Ausgleich zu schaffen, das gegenseitige Geben und Nehmen aufzurechnen, um ja nicht in eine Verschuldung zu geraten. Das war vor allem bei Ulli so gewesen, aber auch bei Nicole und Isabell war ich immer peinlichst darauf bedacht, jede freundliche Geste mit gleicher Münze zurückzugeben, auch wenn ich manchmal dabei gegen eine innere Stimme handelte. Einem Vater gegenüber aber durfte ich etwas annehmen, ohne sofort darüber nachzudenken, wie ich es entgelten konnte. So richtig logisch war diese Schlussfolgerung zwar nicht, doch gefühlsmäßig erschien es mir richtig. Darum wehrte ich mich nicht gegen seine Freundlichkeit und Hilfe.
    Die Stunden waren so voll von neuen Erfahrungen und alten Erinnerungen, und es war wundervoll, gemeinsam in der Frühlingssonne in den windgeschützten Eckchen des Gartens zu sitzen, zu schweigen, manchmal einen Gedanken auszutauschen, den Frieden zu genießen. Aber die Zeit verging, und als wir am Bahnhof auf meinen Zug warteten, sagte Henry: »Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen, du weißt ja, ich bin noch als freiberuflicherBerater tätig, aber ich würde dich sehr gerne besuchen, um dich in dieser Sache weiter zu unterstützen. Und deinen Sohn möchte ich auch gerne kennenlernen. Ich hoffe, er verkraftet es, plötzlich nicht nur einen Vater, sondern auch noch einen Großvater in der

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