Die Herrin des Labyrints
geführt, ich kannte sie nur als Josiane Hoffmann, nicht als Halstenberg. So ähnlich muss es den offiziellen Stellen auch gegangen sein, zumal ja keine Papiere mehr auffindbar waren. Als ich Frau Halstenberg, Ihre Gita, schließlich fand und mit ihr sprach, war es meine traurige Aufgabe, ihr von dem Tod ihrer Tochter berichten zu müssen.«
»Das sagte mir Gita auch, und ich habe auch das Schreiben von Ihnen, das Sie ihr damals sandten. Ich habe auch drei Briefe von Ihnen, die Sie Josiane geschickt haben, aus Kapstadt, Wien und Georgetown.«
»Wie sind Sie denn an die gekommen?«
»Das ist eine lange Geschichte. Herr Vanderhorst, haben Sie je herausgefunden, was die große Überraschung sein sollte, die Josiane ihnen bereiten wollte?«
»Nein, bedauerlicherweise nicht. Ich muss sagen, ich habe mich auch nicht mehr sehr nachhaltig bei den Freunden von ihr erkundigt, viele waren sowieso Zugvögel gewesen und in den zweieinhalb Jahren weitergezogen.«
»Es gab eine Überraschung. Josiane hatte ein Kind bekommen.«
»Oh, wirklich? Na, dann war es ja wohl kein Wunder, dass sie mir nicht mehr geschrieben hat.«
»Glauben Sie? Das Kind kam im Sommer vor dreiunddreißig Jahren zur Welt – das Jahr, das mit Ihrem letzten gemeinsamen Beisammensein begonnen hatte.«
Er sah mich an, und ich sah ihn im Geiste eine einfache Rechenoperation mit der Zahl Neun durchführen.
»Wollen Sie damit sagen, dass Josiane schon schwanger war, als ich sie verlassen habe?«
»Wenn Ihre Angaben stimmen.«
»Und da ich in diesen zwei oder drei Monaten so gut wie ständig mit ihr zusammen war, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass ich der Vater dieses Kindes bin.«
»Das würde ich dann so sehen.«
»Großer Gott, das Leben hält unglaubliche Überraschungen bereit.«
Er stand auf und ging im Raum hin und her. Ich sah, dass er an dieser Nachricht einiges zu verarbeiten hatte. Plötzlich blieb er stehen und sagte in den Raum hinein: »Miriam und ich haben uns immer Kinder gewünscht, aber das ist uns leider verwehrt geblieben.« Dann dreht er sich abrupt zu mir um und sah mich an. »Haben Sie vielleicht zufällig auch noch irgendetwas darüber herausgefunden, was mit dem Kind passiert ist? Ist es bei dem Aufruhr ebenfalls umgekommen?«
»Nein, das ist es nicht.«
Ich stand auch auf und merkte, dass mir die Knie zitterten. Ich musste mich an den Tisch lehnen und mich auf meine Stimme konzentrieren.
»Josianes und Ihre Tochter lebt.«
»Frau Ellingsen-Reese, machen Sie es nicht so spannend! Kennen Sie diese Tochter? Haben Sie mit ihr gesprochen, wissen Sie, wo sie ist?«
Ich brauchte einen kleinen Anlauf, um ihm die Antwort zu geben. Meine Stimme wollte mir nicht mehr gehorchen.
»Sie ist … sie …« Ich riss mich zusammen und ließ den stützendenTisch los. Mit einem Mal konnte ich wieder sprechen, fühlte eine ungeheure Fröhlichkeit in mir aufsteigen und sagte in einem Ton, der mich selbst überraschte: »Sie ist Ihnen im Augenblick ziemlich nahe.« Ich nahm mein leeres Wasserglas hoch und hielt es ihm auffordernd entgegen: »Sekt oder Selters?«
Alle Achtung vor dem Mann! Er reagierte ungemein rasch auf diese Eröffnung. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging er an die Vitrine mit den Gläsern und holte zwei Champagnerkelche heraus.
Aber dann hatten wir beide wieder ein paar schwierige Momente durchzustehen, in denen uns die Worte fehlten. Bis ich mich an eine ähnliche Situation erinnerte.
»Vor ungefähr zwei Wochen hat mein Sohn Patrick zum ersten Mal seinen Vater getroffen. Das Erste, was er in diesem historischen Augenblick sagte, war: ›Oh, Scheiße!‹, und als Zweites fragte er ihn, wie er ihn denn nun anreden sollte!«
»Beides höchst passende Äußerungen. Ich schlage vor, du nennst mich Henry.«
Dann zog mich mein Vater in seine Umarmung, und ich weinte ihm das Hemd nass.
Später saßen wir – es war wieder einmal Mitternacht, das schien langsam so zur Tradition zu werden – bei einer Flasche Champagner zusammen, und ich füllte die restlichen leeren Stellen meiner Geschichte aus.
Es waren zwei wundervolle Tage vorsichtiger Annäherung und gegenseitigen Vertrauenfassens. Nachdem ich lange in den Samstagmorgen geschlafen hatte, schlug Henry mir vor, ich solle erst am Sonntag zurückfahren. Nach kurzer Überlegung erschien mir das machbar, und ich rief Damon an, um ihn zu bitten, Patrick und die unvermeidliche Titi noch eine Nacht lang zu beherbergen.
»Das ist kein Problem, Amanda. Wir kommen gut
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