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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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eignet sich nur noch als Bienenkorb. Deine Haut hat einen ziemlich abstoßenden Zimtton, und keiner Edelfrau würde es im Traum einfallen, dich für etwas anderes einzustellen als für die Küche. Aber, liebe Thu, man kann noch immer den Schatten der Frau erkennen, die die Wollust des Pharaos erregt hat, und bei guter Pflege könnte sie wiedererstehen. Ihre blauen, blauen Augen könnten einen Mann noch immer bis in seine Träume verfolgen.“ Ich forschte in seinem Gesicht, wußte nicht, ob er es ehrlich meinte oder seiner typischen Boshaftigkeit nachgab. Verfolgten ihn meine Augen bis in seine Träume? Sein Lächeln war zwar zärtlich, aber war es nicht auch herablassend? „Gräme dich nicht“, fuhr er honigsüß fort. „Du siehst nicht schlimmer aus als damals, als du in mein Haus gekommen bist. Ein paar Monate mit jemandem wie Disenk, und du erkennst dich selbst nicht wieder.“
    „Du glaubst, mir geht es nur um den Verlust meiner Jugend“, sagte ich. „Derlei läppische Sorgen hat Aswat verbrannt.“ Das mußte wohl zu verbittert geklungen haben, denn sein Lächeln wurde strahlender.
    „Das ist aufgeblasen und obendrein unehrlich“, sagte er. „Keine Frau auf der Welt ist frei vom Laster der Eitelkeit.“ Er beugte sich vor. „Aber natürlich hast du Dringlicheres zu tun, nicht wahr?“ Er sprach feierlich, doch in seinen roten Augen funkelte es spöttisch. „Du hast deinen Sohn gefunden. Nein, er hat dich gefunden. Er war hier, um sich bei mir Rat zu holen. Hast du das gewußt? Wie hast du es nur geschafft, einen so rechtschaffenen, biederen jungen Mann zu gebären?“
    Ich verbiß mir die Bemerkung, die mir auf der Zunge lag. Ich hätte ihn darauf hinweisen können, daß Kamen Mens Erziehung und Ägypten Ehre mache, daß Hui und Paiis versuchten, etwas Gutes und Starkes zu vernichten, daß Ägypten, falls sie Erfolg hätten, kein Beispiel mehr für die wahre Maat auf Erden sei. Doch in der Kunst des Rededuells konnte ich es nicht mit Hui aufnehmen. „Bitte, Hui, hänsele mich nicht“, sagte ich leise.
    Er blickte mich lange an, und seine Augen funkelten nicht mehr hämisch, sondern blickten undurchsichtig und nachdenklich. Die Lampe neben mir knisterte. Draußen vor dem Fenster kam eine Brise auf, raschelte kurz in den Blättern der dunkel verhüllten Bäume, ehe sie sich wieder legte. Ich war müde und erschöpft und dachte, hätte ich doch nur dem Drang widerstanden, hier herzukommen, denn er ist mächtiger als ich, und das ist nie anders gewesen.
    Dann bewegte er sich, stellte die Beine nebeneinander und stand auf. „Bist du hungrig?“ erkundigte er sich und ging ohne eine Antwort abzuwarten zur Tür seines Leibdieners und klopfte laut. Kurz darauf tauchte der Mann schlaftrunken und mit verquollenem Gesicht auf. „Bring mir, was vom Fest übriggeblieben und noch gut ist, und dazu einen Krug Wein“, befahl er und drehte sich zu mir um. „Ich war gegen den Mordversuch an dir und deinem Sohn“, sagte er ruhig. „Aber ich hatte kaum eine andere Wahl, als Kamen lebendig zu Paiis zurückkehrte und Paiis mich vor der neuen Gefahr warnte, die an unserem beschaulichen Horizont aufgetaucht war. Wenn du in Aswat geblieben wärst und den Mund gehalten hättest, wenn es das launische Schicksal nicht gewollt hätte, daß Kamen in Erfüllung seines Auftrags dort anlegte, hätte es dieses ganze abscheuliche Durcheinander nicht gegeben. Doch die Götter haben dir die Rachewerkzeuge in die Hand gedrückt, und du hast sie ergriffen. Jedoch, liebe Schwester, du kannst sie nicht benutzen.“
    Er stand jetzt so dicht vor mir, daß sein Atem warm mein Gesicht streifte und mir der Duft seiner jasmingeölten Haut in die Nase stieg. Er hatte mich mit der liebevollsten und familiärsten Anrede angesprochen. Noch nie hatte er das Wort „Schwester“ verwendet, denn das war einer vergötterten Ehefrau oder Geliebten vorbehalten, und falls es aus einem anderen Mund gekommen wäre als aus seinem, ich wäre entwaffnet gewesen. So aber merkte ich trotz des beinahe überwältigenden Wunsches, die Augen zu schließen und ihm den Mund zum Kuß zu bieten, unversehens auf und richtete das Messer auf ihn.
    „Spar dir das für die hirnlosen Huren deines Bruders, Hui“, sagte ich laut und drückte die Faust, die das Messer hielt, gegen seine nackte Brust. „Die sind ohne Zweifel leichter herumzubekommen, aber wenn du mich überrumpeln willst, mußt du dir schon mehr Mühe geben. Ich weiß sehr wohl, daß du meinen Körper

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