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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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vergoldete Stühle waren im Raum verteilt, neben ihnen kleine Tische mit Mosaiken, auf denen andere, nicht entzündete Lampen standen. Jemand hatte über einen der Stühle einen wollenen Umhang geworfen, der in sanften, weißen Falten zu Boden fiel.
    Auf dem Tisch neben dem Lager stand ein gefüllter Pokal. Ich konnte seinen blutroten Inhalt schimmern sehen, schlich mich über den kühlen, blau gefliesten Boden zum Sockel, stieg hinauf und steckte die Nase fast in die Flüssigkeit, roch aber keine Spur von Schlafmittel, obwohl ich den Duft sorgfältig einatmete, also nahm ich ihn und trank. Der Geschmack war ganz und gar Hui: trocken, teuer und ungemein durstlöschend, und ehe ich mich versah, hatte ich den Pokal geleert. Achselzuckend stellte ich ihn wieder hin und sah mich nach einem geeigneten Versteck um. Es gab keins. Längs der Wände standen ein paar Truhen aus Ebenholz, die waren zwar groß, aber dennoch paßte ich in keine hinein.
    Da fiel mir der Umhang wieder ins Auge. Er war bauschig und dick, und da kam mir eine Idee. Ich musterte ihn nachdenklich, nahm ihn und trug ihn zu der Truhe, die am weitesten entfernt von den Lampen stand. Dort drapierte ich ihn einmal so und einmal so über ihre Kante, bis ich in den Winkel zwischen Umhang und Seitenwand paßte und hineinkriechen konnte. Wenn ich auf Händen und Knien kauerte und das Auge an den kleinen Spalt legte, war der Raum einzusehen. Weich fielen die Falten auf meine Schultern, und auf einmal stieg mir zarter Jasminduft in die Nase, Huis Parfüm. Ich schloß die Augen, während mich eine schreckliche Sehnsucht nach ihm überfiel, und dann nahm ich den weichen Stoff in die Hand und drückte die Lippen darauf.
    Es hatte keinen Zweck. Die ersten dreizehn Jahre meines Lebens hatte ich gelebt, ohne von ihm zu wissen, und diese Zeit war nichts weiter als ein flüchtiges Traumbild ohne klare Form oder Inhalt. Zuweilen bewußt, zuweilen unbewußt gründete sich alles, was ich gewesen und jetzt noch war, auf ihn, und das bis ans Ende meiner Tage, wie sehr ich mich auch bemühte, ihn aus meinem Ka zu vertreiben. Ich lehnte mich an die Wand, zog die Knie hoch und legte das Messer neben mich. Dann wartete ich.

 
Elftes Kapitel
    Ich mußte dort lange kauern. Manchmal saß ich, manchmal kniete ich, und ich biß die Zähne zusammen, weil mir schon bald Krämpfe in die aufbegehrenden Gliedmaßen schossen. Doch mein Versteck mochte ich nicht verlassen und mich auch nicht strecken, denn ich befürchtete, entdeckt zu werden. Einmal ging die Tür ohne Vorwarnung auf, doch es war nur ein Diener, der den Docht stutzen und die Lampe auffüllen wollte und dann ging, ohne dem Rest des Raums auch nur einen Blick zu gönnen. Ich versuchte zu dösen, doch meine Lage und mein Gemütszustand verhinderten jedwede Entspannung, also kauerte ich weiter mit dem Messer zwischen Schenkeln und Bauch und fragte mich, welche Wahnsinnsidee mich hier hergetrieben hatte.
    Doch endlich kam er, legte den zerknitterten Schurz ab und warf ihn auf einen Stuhl, während er zum Lager ging. Aufseufzend fuhr er sich mit den Händen übers Gesicht, zog das weiße Band aus dem Zopf und schüttelte das Haar frei. Ein scharfer Ruf, und die andere Tür ging auf, der Diener trat ein. Stumm griff der Mann nach oben, öffnete das Mondstein-Pektoral am Nacken seines Gebieters und zog ihm die Armbänder von den ausgestreckten Armen. Hui trat aus seinen Sandalen. „Ich bin müde“, sagte er. „Laß alles bis morgen.“
    „Möchtest du Mohn haben, Gebieter?“ Hui schüttelte den Kopf.
    „Nein. Und Wein auch nicht. Bring den Becher fort. Trink ihn selbst, wenn du magst.“ Der Mann ging zum Tisch, hob das Trinkgefäß hoch und stutzte. Durch meinen Spalt konnte ich sein Gesicht ganz deutlich sehen. Er wollte etwas sagen, überlegte es sich aber anders, denn es gehörte offensichtlich zu seinen Pflichten, dafür zu sorgen, daß der Pokal gefüllt war. Mit ratlosem Blick drückte er ihn an die Brust, machte kehrt und verbeugte sich.
    „Danke, Gebieter. Falls das alles ist, gehe ich jetzt.“ Hui winkte, und gleich darauf war er allein.
    Er bewegte sich aus meinem Gesichtsfeld, doch an den Geräuschen, die er machte, erkannte ich, daß er zum Fenster gegangen war. In der kurzen Stille wagte ich kaum zu atmen. Dann hörte ich ihn wieder seufzen und etwas murmeln. Ich konnte deutlich hören, wie seine Fingernägel auf den Fensterrahmen trommelten, und gleich darauf trat er wieder in mein Blickfeld, stand neben dem

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