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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Mutemheb? Handel ist keine Beschäftigung für Frauen.“ Dieses Argument hatte ich mir schon viele Male anhören müssen. Ich wußte, daß keine Spitze durchklang, sondern nur Liebe und Enttäuschung.
    „Lieber Vater“, sagte ich ungeduldig, „du kannst es mir ruhig vererben, ich setze dann gute Verwalter ein...“ Er gebot mir Schweigen.
    „Handel ist nichts, womit man Dienstboten betrauen kann“, verkündete er hochfahrend. „Er verlockt zu sehr zur Unehrlichkeit. Eines Morgens wachst du mittellos auf, und deine Diener besitzen das benachbarte Anwesen.“
    „Daß ich nicht lache“, fiel ich ihm ins Wort. „Wie viele Karawanen führst du denn noch persönlich an? Eine von zehn? Alle zwei Jahre einmal, wenn du es daheim nicht mehr aushältst? Du vertraust deinen Männern, wie ein Offizier seinen Soldaten vertrauen muß.“
    „Seit wann bist du ein Wortklauber“, sagte er lächelnd. „Vergib mir, Kamen. Du sehnst dich sicherlich nach einem Bad. Wie war der Fluß auf dem Rückweg? Gewißlich haben die Ruderer Isis angefleht, damit sie weint und die anschwellende Strömung stärker ist als der vorherrschende Nordwind und euch nach Hause treibt. Wie viel länger habt ihr für die Rückreise gebraucht?“
    „Ein paar Tage“, sagte ich achselzuckend. „Aber wir sind nicht so gut vorangekommen, daß wir jeden Abend am vorgesehenen Platz anlegen konnten. Mein Herold hatte geplant, abends die Gastfreundschaft der Dorfschulzen zu genießen, die eine wohlbestellte Tafel haben, aber meistens gab es Brot und Datteln am Nilufer. Als wir dann gezwungen waren, für eine Nacht in Aswat anzulegen, war er schon ungenießbar. In Aswat hat uns eine Frau Essen gebracht.“ Mein Vater merkte auf.
    „Eine Frau? Was für eine Frau?“
    „Nur eine Bauersfrau, Vater, und halb irre. Ich bin zum Beten in Wepwawets Tempel gegangen, und sie machte da sauber. Ich habe sie angesprochen, weil die Tür zum inneren Hof verschlossen war und sie mir aufschließen sollte. Warum fragst du? Kennst du sie?“ Seine buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen, und seine Augen blickten unversehens scharf und sehr wachsam.
    „Ich habe von ihr gehört. Sie behelligt die Herolde. Kamen, hat sie dich auch behelligt?“ Das sollte sich spaßig anhören, doch sein Blick war ernst. Gewiß ist er nicht so besorgt um mich, daß ihn meine Begegnung in Aswat beunruhigt, dachte ich.
    „Nun, nicht richtig behelligt“, erwiderte ich, obwohl sie genau das getan hatte. „Aber lästig war sie schon. Sie versucht, wichtigen Persönlichkeiten auf der Durchreise einen Kasten aufzudrängen, etwas, was dem Einzig-Einen überbracht werden soll. Anscheinend hat sie bereits versucht, ihn May, meinem Herold, zu geben, und der hat sich geweigert, also wollte sie ihn mir aufhalsen.“ Der Blick, der so manchen fremdländischen Schacherer mit seinen Säcken voller Kräuter zu Füßen bezwungen hatte, durchbohrte mich noch immer.
    „Du hast ihn doch nicht etwa genommen, Kamen? Ich kenne das qualvolle und flüchtige Mitgefühl der Jugend! Du hast ihn doch nicht etwa genommen?“
    Ich hatte schon den Mund zu dem Geständnis geöffnet, daß ich ihn in der Tat mitgenommen, daß sie mir das Ding halbnackt im Mondschein in die Arme gedrückt hätte, wobei diese eigenartigen Augen in dem verschatteten Gesicht gefunkelt hatten, und daß mich mehr als nur jugendliches Mitgefühl dazu bewegt hatte... - doch da geschah etwas Seltsames. Ich hatte meinen Vater noch nie belogen, kein einziges Mal. Meine Lehrer hatten mir eingebläut, wie schlimm Lügen war. Die Götter mochten Lug und Trug nicht. Lug und Trug waren die Zuflucht der Schwachen. Ein tugendhafter Mann sagte die Wahrheit und stand für die Folgen ein. Als Kind hatte ich aus Zorn oder Angst gelogen - nein, Vater, ich habe Tamit nicht geschlagen, weil sie mich geneckt hat -, doch in der Regel hatte ich solche Lügen zurückgenommen, wenn ich in Bedrängnis kam, und meine Strafe erduldet, und als ich heranwuchs, mußte ich nichts mehr zurücknehmen. Ich liebte und vertraute dem Mann, der mich jetzt so ernst anblickte, und dennoch, als ich dasaß und den Blick erwiderte, da wußte ich, ich mußte ihn anlügen. Nicht weil ich mich schämte, einer verzweifelten Irren nachgegeben zu haben, nein, das nicht. Nicht weil mein Vater vielleicht verärgert wäre oder mich auslachen würde. Nicht einmal, weil er vielleicht den Kasten sehen, ihn öffnen und vielleicht. Ja, was vielleicht? Ich wußte nicht, warum ich die Wahrheit vor ihm

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