Die Herrin Thu
verbergen mußte. Ich wußte nur mit unfehlbarer Sicherheit, daß das Geständnis, der Kasten stünde jetzt oben auf meinem Lager, ein Ende. ja, das Ende bedeutete? Verdammt, das Ende wovon?
„Natürlich habe ich ihn nicht genommen“, sagte ich kühl. „Sie hat mir leid getan, aber ich wollte sie in ihrem Wahn nicht noch bestärken. Die Situation war ohnedies peinlich genug.“ Und für Pa-Bast muß ich mir auch noch etwas ausdenken, schoß es mir durch den Kopf, falls er den Kasten beiläufig erwähnen sollte. Nicht wahrscheinlich, aber möglich. Die Haltung meines Vaters änderte sich zwar nicht, ich spürte jedoch, wie er sich entspannte.
„Gut!“ sagte er knapp. „Man soll die Irren lieben und ehren, denn sie sind Lieblinge der Götter, aber man muß sie in ihrem Wahn nicht noch bestärken.“
Er stand auf. „Auf meiner letzten Reise ist es mir gelungen, Antimon zu beschaffen“, fuhr er fort und wechselte damit vollkommen das Thema, „und von den Keftiu eine größere Menge Salbeikraut. Die Sabäer haben meinem Karawanenführer eine kleinere Menge gelbes Pulver verkauft, das sich Ingwer nennt. Ich habe keine Ahnung, wozu das gut ist. Darum will ich nach dem Mittagsschlaf den Seher persönlich aufsuchen. Das Antimon ist für ihn, er wird mir einen guten Preis dafür zahlen, aber ich hoffe, daß er mir auch den Ingwer abnimmt.“ Er kam um den Schreibtisch herum und schlug mir kräftig auf den Rücken. „Du stinkst“, sagte er freundlich. „Nimm ein Bad, trink einen Krug Bier und ruh dich aus. Falls du noch die Kraft hast, diktiere einen Brief an deine Mutter und Schwestern in Fayum. Zu schade, daß du auf dem Rückweg keinen Umweg machen und sie besuchen konntest.“ Damit war ich entlassen. Als ich ihn umarmte, fühlte ich seine starken Arme durch das dünne Leinen seines Hemdes, und ich unterdrückte skrupellos die Scham, die mich überfiel. Als ich sein Arbeitszimmer verließ, war ich auf einmal sehr müde.
Ich durchquerte die Empfangshalle, trat durch die mittlere Tür und stieg die dahinterliegende Treppe zu den Schlafgemächern hoch. Mein Zimmer mit den beiden großen Fenstern lag rechter Hand. Weil das obere Stockwerk des Hauses kleiner als das untere war, konnte ich auf das Dach des unteren treten, wenn ich wollte, zur Brüstung gehen und auf die Speicher, den Dienstbotenhof, den Haupteingang und hinter der großen Mauer auf die von Booten wimmelnden Wasser von Avaris sehen. Linker Hand von der Treppe befanden sich die Zimmer meiner Schwestern, die auf die Nordseite des Gartens gingen, und direkt vor mir war die Flügeltür, hinter der meine Eltern schliefen. Ich öffnete meine Tür und trat ein.
Der Kasten stand auf meinem frisch bezogenen Lager, beherrschte selbstgefällig mein Allerheiligstes, und noch ehe ich den schlaffen und verdreckten Schurz ausgezogen hatte, ergriff ich den Kasten bei den eigenartigen Knoten, mit denen er verschnürt war, warf ihn in eine meiner Zedernholztruhen und ließ den Deckel zuknallen. Ich hatte noch immer keine Ahnung, was ich damit anfangen sollte. Selbst unsichtbar vergiftete er noch die Luft. „Zum Seth mit dir“, sagte ich leise zu der Frau, die mir schon so viel Ärger eingetragen hatte, denn Seth ist der rothaarige Gott des Chaos und der Widerworte, leider auch der Schutzgott der Stadt Pi-Ramses, doch zweifellos hatte er Jünger selbst im fernen, elenden Aswat. Ach, vergiß sie, sagte ich mir, als ich mein Zimmer verließ, die Treppe wieder hinunterstieg und unten scharf nach rechts abbog und das warme, feuchte Badehaus betrat. Du bist daheim, Takhuru wartet, du kannst dich mit Achebset betrinken, und in zwei Tagen schiebst du wieder Wache bei General Paiis. Kümmere dich später darum.
Das heiße Wasser, das ich bestellt hatte, dampfte bereits in zwei großen Urnen, und mein Diener Setau begrüßte mich, als ich mich auf den Badesockel stellte. Während ich mich kräftig mit Natron schrubbte und er mich in dem duftenden Wasser fast ertränkte, fragte er mich nach meiner Reise, und ich antwortete ihm recht bereitwillig und sah zu, wie der Schmutz all der Wochen fern der Heimat auf dem abschüssigen Steinfußboden in den Abfluß rann. Als ich sauber war, ging ich nach draußen und legte mich auf die Bank, die so eben noch im mageren Schatten des Hauses stand, damit Setau mich ölen und massieren konnte. Die heißesten Stunden des Tages hatten begonnen. Die Bäume hinter der flachen Terrasse bewegten sich kaum, und die Vögel schwiegen. Sogar das
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