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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Muße genießen, ehe ich auf meinen Posten bei General Paiis und zu meiner Ausbildung an die Offiziersschule zurückkehrte, während mein Herold durch die streng bewachte Enge fuhr, die zu guter Letzt in den Residenzsee führte. Dort plätscherte das Wasser an Stufen aus reinweißem Marmor. Die dort hochgezogenen Boote waren aus feinster Libanonzeder und mit Gold verziert, und das höfliche Schweigen ganz großen Reichtums legte sich als verträumte Stille über üppige Gärten und dunkel verschattete Obsthaine. Hier waren die Iri-pat und Hohenpriester zu Hause, der Erbadel und die Oberaufseher, darunter auch mein zukünftiger Schwiegervater. Hier umfriedete eine mächtige Mauer auch Palast und Umgebung Ramses’ III.
    Ohne Paß gelangte niemand auf den Residenzsee. Meine Familie hatte natürlich Zutritt zu dem Privatbereich, und ich hatte einen eigenen Paß, der mir erlaubte, das Haus meines Generals und die Militärschule zu betreten. Doch heute, als mein Steuermann das Ruder herumwarf und auf meine Bootstreppe zusteuerte, stand mir der Sinn allein nach einer guten Massage, einem Krug anständigen Wein zu den köstlichen Gerichten unseres Kochs und dann nur noch nach dem sauberen Gefühl der duftenden Leinenlaken auf meinem eigenen Lager. Ungeduldig sammelte ich meine Habseligkeiten zusammen, entließ meinen Soldaten, verabschiedete mich förmlich von meinem Herold May und rannte die Laufplanke hinunter, und dann berührten meine Füße mit Wohlbehagen die vertraute Kühle unserer Bootstreppe. Ich hörte kaum noch, daß die Laufplanke eingezogen wurde, und auch nicht den Befehl des Kapitäns, als das Boot wieder ablegte. Ich überquerte den gepflasterten Platz, ging durch die hohen Tore aus Metall, die offenstanden, rief dem Türsteher, der in der Tür zu seiner kleinen Nische auf einem Schemel vor sich hindöste, einen munteren Gruß zu und betrat den Garten.
    Dort war niemand. Die Bäume und Büsche, die den Pfad säumten, bewegten sich träge in der lauen Brise. Durch ihre Zweige fielen Sonnenflecken auf die Blumenbeete, die wie aufs Geratewohl angelegt wirkten, so wie meine Mutter es gern hatte. Ich schritt munter aus und kam schon bald zu dem Amun-Schrein, vor dem sich die Familie regelmäßig zur Andacht versammelte, dann wandte ich mich nach rechts und strebte zwischen weiteren Bäumen auf das Hausportal zu. Zwischen deren gedrungenen Stämmen erhaschte ich einen Blick auf den großen Fischteich zu meiner Rechten, wo der Garten an die hintere Mauer unseres Anwesens grenzte. Sein schilfrohrbewachsenes Ufer und der steinerne Beckenrand lagen verlassen, die runden, grünen Lotosblätter auf der Oberfläche regten sich nicht. Es dauerte noch mehrere Monate, bis sie wieder blühen würden, doch Libellen mit hauchzarten, bebenden und schimmernden Flügelchen schossen hin und her, und ein Frosch sprang mit lautem Platsch hinein, daß sich das Wasser flink kräuselte.
    In diesem Teich wäre ich einmal beinahe ertrunken. Da zählte ich drei Lenze, war unersättlich neugierig und konnte nicht stillsitzen. Ich war meiner Kinderfrau kurz entwischt, für die ich, das muß ich gestehen, eine große Last war, und trabte zum Wasser, wollte mit gierigen Händen Fische, Blumen und Käfer fangen und purzelte kopfüber ins Schilf und hinein. Ich erinnerte mich noch an den Schreck, dann an die köstliche Kühle und dann an meine Panik, als ich versuchte, in dem grünen Dunkel ringsum Luft zu holen, und feststellte, daß es nicht ging. Meine ältere Schwester zog mich heraus und legte mich auf den Beckenrand, wo ich Wasser spuckte und losheulte, eher aus Wut denn aus Schreck, und am folgenden Tag wies mein Vater unseren Haushofmeister an, einen Schwimmlehrer für mich zu suchen. Ich lächelte jetzt, als ich durch den verschatteten Eingang trat und nach rechts abbog, wo sich die Empfangshalle befand, denn in meiner Erinnerung war es, als wäre das alles gestern gewesen. Ich blieb stehen, seufzte tief und zufrieden und spürte, wie die Unannehmlichkeiten und Anspannungen der letzten Wochen von mir abfielen.
    Der große Raum linker Hand war zum Garten hin offen und nur durch vier Säulen unterbrochen, zwischen deren Rundungen Sonnenlicht hereinströmte. Dahinter ging der Garten weiter bis zu einem Brunnen nahe der Innenmauer, die das Haus von den Dienstbotenquartieren trennte. Der Obstgarten war so zugewachsen, daß man die Hauptmauer, die sich um das ganze Haus zog, nicht mehr sehen konnte. Weiter hinten und rechter Hand führte

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