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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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legte den Stößel beiseite und wischte sich die Hände am Schurz ab. Ich reichte ihm den Krug.
    „Hol Mohn“, wies ich ihn an. „Fülle den hier halb voll Pulver. Füge den Taubenwurz hinzu, und ich gieße das Ganze dann mit Milch auf.“
    „Halb voll Mohn!“ rutschte es ihm heraus. „Aber das allein reicht schon, um das Herz ins Stolpern zu bringen!“
    „Genau“, sagte ich erschöpft. „Ich will, daß der Mohn sie müde macht und sie bereits eingeschlafen ist, wenn der Taubenwurz anfängt zu wirken.“ Ich durfte ihm nicht die Schuld an etwas geben, was nach Dummheit aussah. Er reagierte wie ein Arzt, ohne nachzudenken und sofort. Wenn ich doch auch so hätte reagieren können. „Hast du alles mitgeschrieben?“ fragte ich den Schreiber. Er nickte und schrieb weiter.
    Pra-emheb fand den Mohn und klopfte das weiße Pulver in den Krug. Dann tat er die zerstoßenen Zwiebeln dazu. Als er ihn mir reichte, erschien der Diener mit einer Schüssel dampfendem Wasser und einem Teller Natron, und der Arzt tauchte die Hände hinein und wusch sich gründlich. Er wollte mehr als nur seine Haut säubern, soviel war mir klar. Ich hätte es gern so gemacht wie er. „Sei bedankt, Pra-emheb“, sagte ich zu seinem gebückten Rücken. Er antwortete nicht. Den Krug an mich gedrückt, verließ ich das Haremslager.
    Ich hatte nicht gemerkt, daß Amunnacht hinter mir ging, bis er sprach. „Denk nicht schlecht von ihm, Thu“, sagte er. „Derlei fällt einem Arzt schwer.“
    „Wem sagst du das!“ schrie ich und fuhr zu ihm herum. „Ich bin doch auch Arzt! Oder hast du das vergessen? Glaubst du etwa, das hier schmerzt mich nicht mehr als ein Dornenstich in den Finger? Muß ich für die bösen Taten meiner Jugend denn ewig bezahlen?“ Er antwortete nicht. Statt dessen beugte er sich vor und nahm mir den Krug ab.
    „Wie viel Milch muß hinzugefügt werden?“ fragte er. Zunächst hörte ich ihn nicht, denn ich war rasend vor Wut, doch als ich begriffen hatte, war ich nicht mehr gekränkt.
    „Du mußt das nicht tun, Hüter der Tür“, sagte ich rau. „Ich habe es versprochen, nicht du.“
    „Du hast genug getan“, erwiderte er. „Ich bin der Hüter der Tür. Ich bin für alle Frauen auf dem Palastgelände verantwortlich, und ich werde dir diese Aufgabe abnehmen. Wie viel?“ Die Nacht war schön, dunkel und duftete lieblich nach Gras, die Sterne funkelten, und eine leichte Brise brachte mein Kleid zum Flattern und fuhr mir durchs Haar. Ich atmete tief ein.
    „Einen halben Becher“, sagte ich. „Dann gut schütteln und noch einmal soviel Milch nachgießen, so daß nur noch Platz für den Stöpsel bleibt. Bringst du ihr das, Amunnacht?“
    „Ja. Und ich bleibe bei ihr, während sie trinkt.“
    „Du mußt noch einmal gut schütteln, ehe du einschenkst, und sie muß es auf einen Zug trinken, sonst hindert sie die Bitterkeit daran, alles auszutrinken“, sagte ich. „Aber wenn du den ersten halben Becher Milch hinzugefügt hast, laß das Ganze über Nacht stehen, damit alles gut aufweicht. Und laß den Krug nicht aus den Augen, Amunnacht. Falls ein Diener den Trank mit Milch verwechselt, ich würde es mir nie verzeihen.“
    „Ich auch nicht“, sagte er und lächelte. „Ich schicke dir Nachricht, wenn alles vorbei ist. Gute Nacht, Thu.“ Er wartete die Antwort nicht ab, sondern entfernte sich, eingehüllt in den unsichtbaren Umhang aus Selbstvertrauen und Würde, der nur ihm zu eigen war, und ich kehrte leichteren Herzens in meine Zelle zurück.
    Als ich mein Kleid ausgezogen und Isis zum Weinholen geschickt hatte, nutzte ich ihre Abwesenheit, ging in das verlassene Badehaus und schrubbte mich fieberhaft, rubbelte meine Haut mit rauen Natronkristallen und goß mir viele Krüge Wasser über den Kopf. In der Zelle kribbelte meine Haut und mich fror, daher kroch ich ins Bett. Der Wein stand bereits auf dem Tisch, der Becher war schon für mich eingeschenkt, und Isis wartete. Ich bedankte mich und sagte, ich brauchte sie bis zum nächsten Morgen nicht mehr. Sie verbeugte sich und ging, und sie war noch nicht zur Tür hinaus, da hatte ich den Becher schon geleert und schenkte mir wieder ein.
    Dann lag ich in den Kissen und trank und ließ mir vom Wein den Magen wärmen und mein Hirn von den allzu lebhaften Bildern befreien, die mir zusetzten. Es war ein harmloses Sich-gehen-lassen, nur eine kleine und vorübergehende Weigerung, mich der Bürde des Augenblicks zu stellen, und ich ließ mich vom Alkohol tragen, wohin er

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