Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
würde, ehe er sich das Leben nahm. Wie würde er seinen letzten Tag verbringen? Mit Essen, Trinken und Huren? Wahrscheinlich.
    Isis stand auf der Schwelle, begrüßte mich fröhlich und stellte mir das Tablett mit Essen auf die Knie. Während ich darin herumstocherte, räumte sie beflissen das Zimmer auf, und dazu plauderte sie unentwegt. Als ich ihre Betriebsamkeit nicht länger ertragen konnte, schickte ich sie fort, daß sie mir ein Bad richtete, schob die Reste unter das Lager und stellte mich an die Tür.
    Die Sonne schien bereits hell und warm. Ein paar Frauen schlenderten im Nachthemd über den Rasen, gähnten und blinzelten in den dunkelblauen Himmel. Aus vielen Zellen kam Geschirrgeklapper und dazu gelegentlich eine scharfe Ermahnung oder schallendes Gelächter, und ich nahm alles gierig auf wie ein ausgehungerter Bettler. Das will ich bis zum Ende genießen, bis das letzte Sandkorn durch die Uhr gelaufen ist, sagte ich heftig, jedoch bei mir. Und Hunro auch, selbst wenn sie im Gefängnis sitzt. Falls Amunnacht klug ist, wird er erst nach Einbruch der Nacht zu ihr gehen, denn solange die Sonne scheint, wird sie den Trank verweigern.
    Als Isis zurückkehrte, ging ich mit ihr in das volle Badehaus, doch nachdem ich gewaschen und massiert worden war, lehnte ich Schminke und Geschmeide ab. Warum, das wußte ich auch nicht. Gewißlich half diese Geste weder Paiis noch Hunro, doch es erschien mir dreist, ja, sogar beleidigend, derlei Tand vor der dunklen Feierlichkeit des Todes zu frönen. Ich spürte, wie er näher kam, denn im Verlauf des Morgens wurde ich immer unruhiger, er nahm von mir Besitz und schien sich über den Hof zu legen, bis ein dumpfes Vorgefühl die Unterhaltung der Frauen zum Erliegen brachte und die Kinder zänkisch stimmte.
    Am Nachmittag, der etwas Zeitloses an sich hatte, brachte ein Diener mir die Liste der zum Verkauf stehenden Anwesen, die ich mir von dem Landvermesser erbeten hatte. Ich nahm die Rolle überrascht entgegen, denn ich hatte ihn ganz vergessen, und ging sie schnell durch. Doch die Worte und Zahlen, die meine Augen überflogen, schienen nichts mit mir zu tun zu haben. Sie gehörten in eine andere Welt, in der eine Stunde auf die andere folgte und in eine Zukunft führte, die mir so unbekannt war wie die Länder der Barbaren jenseits der westlichen Wüste. Ich ließ den Papyrus aufrollen und legte ihn beiseite. Meine Welt beinhaltete nur noch Paiis, Hunro und mich selbst, und wir verzehrten uns alle im Feuer des Wartens.
    Es gelang mir nicht, die Mittagshitze zu verschlafen. Der Hof leerte sich, die Frauen suchten ihr Lager auf, doch die Last des Unbehagens nahmen sie mit, und ich hörte sie seufzen und sich wälzen, während auch mich eine wachsende Vorahnung hellwach hielt. Eine nach der anderen erschienen sie wieder, setzten sich unter ihre Sonnensegel, und ich stand auf wie sie, legte ein Polster vor die Außenwand meiner Zelle und ließ mich nieder. Eine Art ehrfürchtige Stille legte sich über uns, bis einem selbst der Gedanke an Bewegung als Sünde erschien. Doch der Frieden hatte nichts Friedliches. Er glich der Unbeweglichkeit der Kreatur, die bedroht ist oder eine unbestimmte Gefahr wittert, und schließlich schloß ich die Augen und überließ mich dem Gefühl.
    Gegen Sonnenuntergang wurden alle etwas munterer, denn jetzt kam das Abendessen. Isis stellte ein Tablett neben mich, doch ich brachte keinen Bissen hinunter. Herz und Hirn, alles in mir sammelte sich auf die Augenblicke, die für Hunro und Paiis endgültig verrannen. Es zählte nicht mehr, daß sie Verbrecher waren. Und ich bedauerte auch nicht mehr, daß sie sterben mußten.
    Mein Ka erinnerte sich an die Todesqualen meines eigenen Sterbens, an die Wut, an den zuversichtlichen Glauben, daß ein Fehler gemacht worden war und ich errettet würde, dann an die Panik, die sich zu dumpfer Hinnähme wandelte, die jedoch von Anfällen verzweifelten Aufbegehrens durchbrochen wurde, wenn ich mich gegen die Tür meiner Zelle warf und kreischte, man solle mich hinauslassen.
    Als ich dann zu schwach zum Aufstehen gewesen war, hatte ich um Wasser gebettelt, um Licht, das die alptraumhafte Dunkelheit vertreiben würde, um die Berührung einer menschlichen Hand, die die schreckliche Einsamkeit des Sterbens leichter gemacht hätte. Diese Berührung war in der elften Stunde gekommen, Amunnacht hatte mich vom Rand der Ewigkeit zurückgeholt. Doch die elfte Stunde würde für Paiis die letzte sein, und der Hüter der Tür

Weitere Kostenlose Bücher